Die Milchmädchenrechnung im öffentlichen Sektor

In der InetBib-Liste wurde heute morgen – nicht ohne einen gewissen Stolz – darauf hingewiesen, daß in der Uni-Bibliothek Karlsruhe nunmehr dank der Automatisierung des Ausleihebetriebs auch zu verlängerten Öffnungszeiten Bücher von den Benutzern mithilfe von RFID-Technik selbständig ausgeliehen werden können. Dieser Service sei nun auch auf die Fernleihe ausgedehnt worden. Durch den Einsatz eines neuen „Fernleiheautomaten“ könne nun auch hier vollständig auf Personal verzichtet werden. Der neue Automat stehe an sieben Tagen die Woche 24 Stunden zur Verfügung.

Diese Meldung erinnert nicht nur an Böllsche Satiren aus den 50er Jahren. Hieran kann man auch sehen, welche Vorstellungen den Betrieb und die Personalpolitik in der öffentlichen Verwaltung derzeit bestimmen.

Ich gebe ein anderes Beispiel aus dem öffentlichen Sektor: In Frankfurt werden die Mülltonnen von einem Mitarbeiter geleert. Der sitzt in einem Müllauto, an dem ein hydraulischer Greifarm befestigt ist, und fährt die Straßen entlang, greift mit dieser Vorrichtung die Tonnen und kippt sie in den Wagen. Bei uns in Neu-Isenburg fährt die – kommunale, nicht privatisierte – Müllabfuhr in Gruppen zu fünf Mitarbeitern: einer fährt den Wagen, einer läuft voran und stellt die Tonnen raus, die anderen leeren sie. Das sind fünf Leute in Lohn und Brot. In Frankfurt säßen vier von denen beim Arbeitsamt aufm Flur. Und unsere Müllabfuhr ist wesentlich billiger als die Frankfurter Müllabfuhr!

Mit dieser scheinbaren „Sparerei“ machen wir unser Land selbst kaputt.

Ich gehe jede Wette ein, daß es wesentlich billiger wäre, die – je nach Rechnung – 3,5 bis 5 Millionen Arbeitslosen im öffentlichen Dienst zu beschäftigen, zum Beispiel in Bibliotheken, als sie zu verwalten, mit Lohnersatzleistungen zu alimentieren, mit Sanktionen zu überziehen, zu sinnlosen Bewerbungen auf Staatskosten zu zwingen, zu teuren Fortbildungen zu schicken, in umfangreiche Rechtstreitigkeiten vor den Sozialgerichten zu verstricken, wo es in der letzten Instanz oft nur noch um wenige Euro geht, etc.pp.

Das alles ist ganz offensichtlich eine Milchmädchenrechnung.

Zuerst veröffentlicht in der Freitag Community am 25. Mai 2009.

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3 Kommentare zu „Die Milchmädchenrechnung im öffentlichen Sektor“

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