Vollständig

Wußte doch, daß noch etwas fehlt, kam aber die ganze Zeit nicht drauf: Kein Herbst ohne den Marienkäfer, der sich vor der Kälte an mein Fenster flüchtet. Ohne ihn ist „der Herbst“ als Bild nicht vollständig. Seit heute ist er da.

Die Außenwelt der Innenwelt

Im Blog von Claudia Kilian habe ich am 25. Oktober 2009 einige Mutmaßungen über den Zusammenhang von Entpolitisierung, Desinformation und der allgemeinen Überforderung der Menschen mit dem Ergebnis der Bundestagswahl 2009 und der nun folgenden schwarz-gelben Politik angestellt. Die Ausgangsfrage war: „… bei all diesem Gerede von der Eigenverantwortlichkeit: Kein Mensch kann ohne die anderen Leben. Kein Normalsterblicher kann sich alleine gegen die Lebensrisiken absichern. Das geht nur in der Gemeinschaft. Aber warum sehen das so wenig Menschen?“

Ich meine, sie sehen es „im Prinzip schon“, sie handeln aber nicht danach, und über den Grund dafür kann man nur spekulieren.

Immer weniger nehmen an Wahlen teil. Die Bildzeitung ist für die meisten die wichtigste Informationsquelle. Man kann heute tagelang fernsehen, ohne auf eine einzige Nachricht(ensendung) zu stoßen. Man kann sich weitgehend von der Politik fernhalten. Und wenn man dann ein Opfer der Politik wird, heißt es: „Die da oben machen ja doch, was sie wollen.“

Das Bundestagswahlergebnis war nicht nur eine Folge von erfolgreicher Desinformation. Es war auch eine Folge des lang andauernden „Rückzugs ins Private“, weg vom Gesellschaftlichen.

Ich meine aber auch, daß dies nicht nur auf Gleichgültigkeit und Unverständnis zurückgeht, sondern zu einem großen Teil auch auf die um sich greifende Erschöpfung zurückzuführen ist. Die Depressionserkrankungen nehmen langfristig zu. Die Belastungen im beruflichen und familiären Bereich werden für viele zu groß, um sich noch mit politischen Fragen beschäftigen zu können, um sich zu engagieren oder um sich auch nur vorstellen zu können, daß Wählen etwas ändern könnte.

Stichwort „Strategie“: Es wird immer schwerer, noch so etwas wie einen Lebensentwurf zu entwickeln. Wie sollen die Menschen dann aber einen gesellschaftlichen Entwurf sich erarbeiten?

Wikipedia ohne Admins?

In dem derzeitigen Streit um die Löschpraxis in der deutschsprachigen Wikipedia hat Martin Haase heute zwei Vorschläge gemacht: Gelöschte Artikel sollten in einem eigenen Namensraum in der Wikipedia erhalten bleiben, und die Administration sollte gleich ganz auf die Sichter unter den Wikipedia-Nutzern übertragen werden. Dies habe ich kommentiert:

Deinen Vorschlag zu einem eigenen Namensraum für gelöschte Artikel finde ich sehr gut, und sei es nur, weil in den Artikeln meistens einiges an Arbeit drinsteckt, die mir grundsätzlich erhaltenswert scheint. Problematisch dabei ist, daß wir auf Dauer gesehen sozusagen eine Parallel-Wikipedia erhalten könnten, in der sozusagen all die toten Artikel weiterleben. Und natürlich müßte auch hier darüber gewacht werden, daß alle möglichen Arten problematischer Inhalte verhindert werden (rassistische, faschistoide, beleidigende, nachweislich unwahre Behauptungen usw.). Das erfordert also zusätzlichen Sichtaufwand etc., was man nicht unterschätzen sollte.

Zweifel habe ich, ob man die Selbstverwaltung des Projekts soweit treiben könnte, daß man die ganze Administration gleich auch den Sichtern überträgt. Der Admin ist ja nicht Sichter, sondern sozusagen Richter: Er muß Entscheidungen treffen, die über das Sichten (=Abwesenheit von Spam und Vandalismus, keine inhaltliche Kontrolle!) hinausgehen. Er muß den Stichentscheid in den Löschdiskussionen treffen, und wenn es dort total an den maßgebenden Kriterien vorbeigeht, muß er trotzdem den Überblick behalten und eine sachgerechte Entscheidung begründen und umsetzen. Diese Aufgabe kann man nicht jedem übertragen, sonst wird der Unmut und der Zank auf Dauer zu groß werden.

Macht braucht zur Legitimation ein allgemein akzeptiertes Verfahren. Also benötigt man andere Regeln, die dann eben vorsehen sollten, daß im Zweifel ein Artikel eher zu akzeptieren ist, als daß man ihn löscht (was ich schon immer für vernünftig gehalten habe).

Gelbe Blätter IV

Über Nacht sind nun die Blätter an dem Baum, der links vor meinem Fenster steht, fast ganz ergilbt, mindestens sehrgelbgrün geworden – es ist an der Zeit. Daneben ist man schon weiter: Wechsel von gelb zu rotbraun. Das Zimmer wird heller. Der Regen ist vorbei. Und dem Schnupfen folgt der Husten. Auf einmal wieder bis zu 15 Grad. Nanu.

Bücher in die Bibliotheken!

Wilfried F. Schoeller hatte für den deutschen PEN erklärt, wenn 80 Prozent der Bücher, die Google digitalisiert habe, in den Bibliotheken nicht mehr greifbar seien, so sei dies „eine Mangelerscheinung, die auf die Bibliotheken zurückfällt. Daraus kann man nicht ableiten, dass sie nun ins Internet gestellt werden sollen und die Urheber dafür nur Peanuts bekommen.“ Dazu schrieb ich am 22. April 2009 in einer privaten E-Mail (bisher unveröffentlicht):

Schoeller hat Recht. Wenn ich bedenke, wie viele Bücher ich in den letzten Jahren bei unserer Stadtbücherei, pardon: seit ein paar Jahren „-bibliothek“, schon auf dem Flohmarkt wohlfeil gekauft habe oder hätte kaufen können, die nicht in neuer Auflage wiederbeschafft worden sind, kann man den ständigen Verlust an Kulturgütern erahnen (u.a. Arno Schmidt – Zürcher Kassette, Ror Wolf & Robert Walser & Musil – Werkausgaben, Brecht in der es, Gedichtbände von Enzensberger, Reiner Kunze (Erstausgaben), teils mit Widmung d. Autors, Ernst Bloch, Mitscherlich usw. usf.). 😦

Aber die 1000 coolsten Steuertips von Konz und Co. sind selbstverständlich mehrfach im Bestand vorhanden und werden laufend aktualisiert.