Deutschlandradio Wissen II

Das Programmheft Januar 2010 des Deutschlandradios macht auf mit dem neuen Programm Dradio Wissen, das ab 18. Januar 2010 nur digital über Kabel, Satellit und online gesendet wird. Programmfarbe ist das vom Schirrmacherschen „Payback“[1] her bekannte mittelgrüne „Pantone 361“.

Das Programmschema zeigt in etwa das Bild, das ich schon in einem Blogbeitrag vom 13. Oktober 2009 befürchtet hatte: Jedenfalls am Wochenende gibt es viele Übernahmen von den beiden anderen DRadio-Programmen, aber auch von anderen ARD-Kulturwellen und der Deutschen Welle (Studi-DW). Sie werden als „Radiolinks“ bezeichnet, die als Vernetzung des neuen Programms zu anderen Sendern dienten.

Interessant erscheint die werktägliche Vorlesung in der Stunde vor Mitternacht, freitags gibt es sogar eine „Vorlesung der Woche“, wiederholt wird sie samstags ab 12 Uhr. Tagsüber gibt es von 6 bis 18 Uhr montags bis freitags eine Art von Programm, wie man es von den Inforadios her kennt: „Mein Tag“, mit starrem Stundenschema, das sich ständig wiederholt, allerdings liegt der Schwerpunkt auf Kultur und „Wissen“ – whatever that means.

Auf der Website finde ich noch nichts zu dem neuen Programm, also auch keine Angabe zum Livestream. Kommt wohl noch.

Gleichzeitig veröffentlicht am 28. Dezember 2009 in den Mailinglisten A-DX und NET-RADIO. Leicht redigiert.

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Frank Schirrmacher, Payback, bei Seite 224

Weitergelesen. Zuende gelesen. Schirrmachersche Dialektik: „Unsere Werkzeuge verändern unsere Welt, vor allem aber verändern sie uns selbst“ (S. 145), bevor das Buch im zweiten Teil zu einer Art Ratgeber wird für Leute, die „nicht mehr wissen, was sie behalten und was sie wegwerfen sollen. Das ist in etwa so, wie es in unserem Kopf aussieht“ (S. 167). Wer diese Wahrnehmung nicht teilt, dem dürfte es schwerfallen, bis zum Ende gerne am Ball zu bleiben. Es zieht sich etwas, denn die letzten 60 Seiten sind der flachste Teil des Texts. Um es kurz zu machen: Herr Schirrmacher empfiehlt, es doch einmal mit Achtsamkeit zu versuchen, und weil ihm der psychologische Begriff zu modern ist, spricht er lieber durchgehend von einem „Perspektivwechsel“. Man solle versuchen, die Dinge nicht aus derselben Perspektive wie ein Rechner (beziehungsweise dessen Programmiererin) zu betrachten, und man solle über eine Suchmaschine nur solches zu finden versuchen, was man darüber auch finden könne (S. 192 f.), „nicht-algorithmische, also völlig unberechenbare Lösungsansätze“ seien anzustreben (S. 216). Ästhetik und Kreativität einerseits werden dem Algorithmus andererseits gegenübergestellt: „… kein Gedanke ist so wertvoll und so neu und schön, wie der, dessen erstes Flügelschlagen wir gerade jetzt in unserem Bewußtsein hören“ (S. 224), endet das Buch etwas süßlich.

Das Plädoyer für mehr Medienkompetenz bleibt unvollständig, weil es mit der Auswahl des richtigen (Such-) Mediums für den jeweiligen Zweck und mit der richtigen Perspektive dabei nicht sein Bewenden haben kann. Was zählt, ist auch der kompetente Umgang mit dem richtigen Medium, also die materielle Quellenkritik, die inhaltliche Auseinandersetzung, sie wird hier ganz ausgeblendet.

Als kulturpessimistischer Konservativer ist Schirrmacher nur ein partieller Fatalist: Der Siegeszug der Computer sei nicht mehr abzuwenden, die Bedeutung der Suchmaschinen und deren Leistungsfähigkeit sei nicht zu brechen. Das Hirn werde durch die Netze erweitert und ergänzt, aber nicht ersetzt. Das genuin Menschliche bleibe letztlich doch erhalten und es unterscheide den Menschen dauerhaft vom Rechner – Gott sei Dank.

Wer aber wirklich etwas über das Verhältnis von Computern und Gesellschaft erfahren möchte, sollte lieber zu den Büchern von Joseph Weizenbaum greifen und um den ganzen Schirrmacher-Hype einen möglichst weiten Bogen machen. Oder einfach mal offline gehen. Aus Achtsamkeit.