In den ersten Berichten über die Nichtigerklärung der Vorratsdatenspeicherung durch das Bundesverfassungsgericht geht bisher unter, daß das Gericht es – auch diesmal – vermieden hat, eine Vorlage an den EuGH zu fertigen. Die Begründung hierzu in der Pressemitteilung zu dem Urteil lautet:
„Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof kommt nicht in Betracht, da es auf einen möglichen Vorrang des Gemeinschaftsrechts nicht ankommt. Die Wirksamkeit der Richtlinie 2006/24/EG und ein sich hieraus möglicherweise ergebender Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor deutschen Grundrechten sind nicht entscheidungserheblich. Der Inhalt der Richtlinie belässt der Bundesrepublik Deutschland einen weiten Entscheidungsspielraum. Ihre Regelungen sind im Wesentlichen auf die Speicherungspflicht und deren Umfang beschränkt und regeln nicht den Zugang zu den Daten oder deren Verwendung durch die Behörden der Mitgliedstaaten. Mit diesem Inhalt kann die Richtlinie ohne Verstoß gegen die Grundrechte des Grundgesetzes umgesetzt werden. Das Grundgesetz verbietet eine solche Speicherung nicht unter allen Umständen.“
Zunächst bin ich ganz generell sehr froh über das gefällte Urteil. Meiner Meinung nach bedeutet es das Aus für das 2008 verabschiedete Gesetz in seiner jetzigen Form. Hanj-Jürgen Papier hat in seiner ersten Stellungnahme des ersten Senat viele Details erklärt angesprochen und moniert. Er hat gerade auch viele einzelne Punkte herausgegriffen, die man anders regeln muss als bisher und der erste Senat begrenzt deutlich das beinahe allgemein vorhandene Zugriffsrecht vielfältiger staatlicher Stellen auf die Daten der Bürger. Er machte auch klar, dass schwerwiegende Verdachtsmomente vorliegen müssen, wenn der Staat auf die gesammelten Daten zugreifen will. Und er hat erklärt, dass Bereiche definiert werden müssen, in denen es einen besonderen Schutz der persönlichen Daten geben muss. Nicht zuletzt fordert der erste Senat eine Gesetzesumsetzung ein, die dem Bürger an vielen Stellen die Chance eröffnet, gegen das Vorgehen des Stattes vorzugehen (Richtervorbehalt, exakte Dokumentation von Ermittlungen mit dem Ziel auch naträglich noch überprüfbar zu machen, was wann wer getan hat und ob das jeweils Rechtens war, etc.). All das führt dazu, dass es wohl ein komplett neues Gesetz geben muß.
Grundsätzlich hat sich das Bundesverfassungsgesetz nicht gegen die Vorratsdatenspeicherung geäußert. Menschen, die mit einem generellen und erstazlosen Kippen des Gesetzes gerechnet haben, dürften also mindestens im ersten Moment nicht vollkommen glücklich sein mit dem Urteil der Karlsruher Richter. Auch eine Vorlage an den EuGH gibt es wohl nicht. Tatsächlich hätte auch ich eine solche Vorlage als stärkste Form der Zurückweisung (an die Wurzel) empfunden. Erste politische Kommentierungen aus Brüssel legen aber nahe, dass auch ohne diese Vorlage die Haltung der EU zur anhängigen Gesetzgebung evtl. überprüft wird. Ein wenig hat man natürlich den Eindruck, dass man so wieder auf Goodwill angewiesen ist und gleichzeitig dem Gekungel im EU-Parlament oder, noch schlimmer, den Hinterzimmern der nationalen Regierungen, ausgeliefert ist.
Fazit (aus meiner Sicht): Heute wurde ein Punktsieg erreicht (den man nicht unterschätzen sollte). Andererseits wäre noch deutlich Luft nach oben gewesen .. 😉