„Tag der Archive 2010“: Besuch beim Archiv des Hessischen Rundfunks

Zum fünften bundesweiten „Tag der Archive“, der diesmal unter dem Motto „Dem Verborgenen auf der Spur“ stand, besuchte ich heute das Archiv des Hessischen Rundfunks, das seine Arbeit gemeinsam mit dem Deutschen Rundfunkarchiv der Öffentlichkeit vorstellte.

Wie jedes andere Medienunternehmen, betreibt auch der hr ein eigenes Archiv, das den Mitarbeitern für journalistische Recherchen zur Verfügung steht und ihnen zuarbeitet, wenn sie Informationen zur Vorbereitung einer Hörfunk- oder Fernseh-Sendung benötigen. Dazu werden regelmäßig andere Medien ausgewertet und gesammelt. Anfangs hob man hierzu in der Nachkriegszeit bei „Radio Frankfurt“ noch komplette Zeitungen auf; dann ging man dazu über, zusätzlich Dossiers zu bestimmten Themen oder zu prominenten Personen zusammenzutragen, in denen Zeitungsausschnitte gesammelt wurden; heute betreiben die ARD-Sender hierzu eine gemeinsame Datenbank, die aber nicht öffentlich ist. Nur Mitarbeiter erhalten einen Zugang. Außerdem gibt es eine kleine Bibliothek mit etwa 40000 Bänden, die vorwiegend mit Nachschlagewerken, aber auch mit einer Abteilung mit schönen Kunstbänden bestückt ist. Daneben verwaltet das Archiv des hr einen wahren Schatz an Kulturgütern: Aufnahmen aus eigener Produktion – Sendungen und Musikaufnahmen der Rundfunkorchester – sowie Industrieaufnahmen, die den Anstalten im Zuge einer Rahmenvereinbarung mit den Plattenfirmen zur Verfügung gestellt werden. Bis vor kurzem lieferte die Musikindustrie Neuheiten auf Audio-CD ab, was zur Folge hatte, daß die Aufnahmen im Rundfunk erst eingelesen werden mußten, um sie auf dem Archivserver bereitzustellen. Dieser Schritt entfällt nun, da die Industrie zur Bemusterung die Audio-Dateien direkt zur Verfügung stellt. Daneben können Metadaten zu den Stücken in besonderen Datenbanken recherchiert werden, die dann ebenfalls im eigenen Archiv bereitstehen.

Das hr-Archiv ist nicht öffentlich, deshalb warb der hr für diesen Tag u. a. mit dem Schild „Der Zutritt ist für Unbefugte strengstens untersagt“, deshalb war seine Öffnung für die breite Öffentlichkeit tatsächlich ein Blick ins „Verborgene“. Wobei hr2-Redakteur Hans Sarkowicz vorgestern in der Morgensendung „Mikado“ verriet, daß das Archiv ausnahmsweise, wenn auch nur inoffiziell, auch für wissenschaftliche Recherchen zur Verfügung stehe.

Ein wesentlicher Teil der Arbeit besteht heutzutage in der Digitalisierung analoger Quellen. Die jeweiligen Mitarbeiter zeigten uns die Konvertierung an den Original-Geräten für Audio- und für Video-Quellen. Dabei interessierte mich vor allem die Vorführung zur Langzeitarchivierung von alten Hörfunksendungen. Auf dem Schreibtisch lag das Nestor-Handbuch bereit. Die professionellen Abspielgeräte, die man hier zu sehen bekam, werden in der Regel gar nicht mehr hergestellt – vor allem die Bandmaschinen, natürlich, aber auch einen leibhaftigen CD-Spieler der Marke Studer sowie ein Tapedeck für die außer Gebrauch gekommenen DAT-Kassetten sah ich dort noch schön eingebaut stehen. Die Konvertierung der Quellen erfolgt per Mausklick über ein eigenes Aufnahmeprogramm, dessen Oberfläche derjenigen von Audacity ähnelt. Die Pegel werden manuell überwacht, was aber bei den alten Wortaufnahmen mangels Dynamik nicht allzu aufwendig ist. Dabei wird eine Wave-Datei erzeugt. Die Datenrate der darin enthaltenen Rohdaten entsprechen denen einer Audio-CD. Die Datei steht fortan auf dem Archivserver für die weitere Verwendung durch die Redakteure bereit. Der Mitarbeiter, der die Konvertierung durchführt, behandelt die Technik als black box. Er nimmt als Archivar selbst keine Bearbeitung, etwa am Klang, und auch keinen Schnitt vor. Die Verwaltung der so erzeugten Audio-Daten erfolgt in einem sendereigenen Rechenzentrum. Die Daten lägen dort auf Festplatten vor, die wiederum regelmäßig bewegt und umkopiert werden müssten, um den Datenbestand lesbar zu erhalten.

Ein vergleichbarer Aufwand wird auch für Videoquellen betrieben. Alte MAZ-Bänder werden ebenso digitalisiert wie 16-mm-Filme. So wird nicht nur mit alten Aufnahmen verfahren, sondern auch mit vielen Fernsehspielen. Beispielsweise werde der ARD-Tatort nicht digital aufgenommen, sondern nach wie vor auf Film gedreht. Dafür gebe es vor allem künstlerische Gründe, die digitale Produktion wäre geringfügig billiger.

Die ursprünglichen Bänder werden nach der Digitalisierung teils vernichtet, teils weiter aufbewahrt. Die Entscheidung hierzu werde von Fall zu Fall getroffen, dafür gebe es keine verbindlichen Regeln. Im Video-Archiv, das wir begingen, sah ich höchst disparat erscheinende Altbestände. Unterhaltungssendungen und Reportagen standen dort neben „Bücher, Bücher“ von 1993. Wahrscheinlich wird niemals der gesamte Bestand an Altsendungen digitalisiert werden können. Das scheitert an der Zahl der Mitarbeiter und an den Datenmengen. Immerhin wird jeden Tag das gesamte gesendete Programm vollständig mitgeschnitten, um die wichtigsten Stellen herauszuschneiden und dauerhaft aufzubewahren. Und jede Minute, die über den Sender geht, ist vorher von einem Mitarbeiter betrachtet bzw. angehört worden, um sie vorab auf ihre technische Qualität zu prüfen.

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Historische Radiogeräte und Produktionstechnik waren auch zu sehen. Viele alte Röhrenradios, ein altes portables Tonbandgerät für Reporter, das sieben Kilo wiege, bis hin zu einer echten Edison-Tonwalze aus der vorletzten Jahrhundertwende.

Und reich beschenkt kehre ich heim. Die hr-Werbung hatte einen älteren Bildband mit schönen Reproduktionen von Werbeplakaten für das hr-Programm zum Mitnehmen beigesteuert. Darin zeichnet noch Hartwig Kelm als Intendant, und das Programm, das es zu seiner Zeit zu hören gab, habe ich noch in guter Erinnerung. Außerdem eine Audio-CD „Werbung im Rundfunk – von den 30er bis in die 80er Jahre“ mit original Werbespots, an die man sich auch nach der langen Zeit noch erinnern kann, jedenfalls soweit sie aus den 80ern stammen. Wer mochte, konnte sich noch eine alte ausgemusterte Aluspule für Tonbänder mitnehmen.

Bildnachweis: 1. © hr 2010; 2. eigene Aufnahme unter CC-by-Lizenz.

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4 Kommentare zu „„Tag der Archive 2010“: Besuch beim Archiv des Hessischen Rundfunks“

  1. Alle magnetischen Datenspeicherung-Systeme wie Festplatten und Magnetbänder können im Vergleich zur unserer Lösung nur zum vorübergehenden Gebrauch geeignet betrachtet werden. Höchstens nur als Backup aber nicht als Langzeitarchivierung. Die Daten müssen ständig bewegt, aufgefrischt, um-kopiert werden. Dabei kommen immer wieder schmerzliche Datenverluste vor.

    Es gibt aber ein neues Medium bei SDG-master, wo die Daten ins Glas Discs geätzt werden. Ein Medium das passiv ist, keine Pflege braucht, keinen Strom, oder Kühlung, der widersteht Hitze, Kälte, Säure oder auch magnetische Felder und das völlig ohne Folgekosten. Für größere Rechenzentren und Archive werden robotgesteuerte Jukebox-Systeme mit bis zu 5000 Disc pro Schrank eingesetzt. Dadurch können schritt für schritt große Magnetband und Festplattensysteme abgelöst werden. So bekommt man eine Dokumentensammlung der bis die Ewigkeit hält, „wie ins Stein gemeißelt“.

    Herzlichen Gruß
    Johann Spischak

  2. Vielen Dank für Ihren Hinweis. Ich bin ja auch aus eigener Erfahrung skeptisch, was Festplatten und Magnetbänder angeht. Fairerweise wird man aber hinzufügen müssen, daß es gerade bei einer neuen Technik wie derjenigen, die Sie empfehlen, noch keine Erfahrungswerte über die Langzeitarchivierung gibt.

  3. Glücklicherweise kann ich über Erfahrungswerte berichten, die durchaus überzeugen. Unsere Glas Disc wurde mit dem Phoenix Marsexpedition noch in 2007 auf dem Mars gebracht. Die Disc ist im freien, auf der äußeren Oberfläche des Mars-mobils platziert. Auf unsere Website finden Sie Fotos, die es belegen.

    Auch die Referenzkunden Lockheed Martin, NASA, Thomson / Thalesgroup, Bibliothéque nationale de France, EDF, France Telecom, Musée Rodin, Avantis können darüber berichten.

    Neulich werden die internationalen Organisationen wie IASA (International Association of Sound and audiovisual Archives), nestor Kompetenznetzwerk für Langzeitarchivierung, Europäische Kommission, Österreichisches Staatsarchiv, Bayerische Staatsbibliothek usw. gerade ausprobiert oder bereits empfohlen.

    By the way, es gibt Erfahrungswerte über die Problemen der alten Systeme, die wir am besten ablösen sollen.

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