Heute abend fand im WDR-Fernsehen und im Hörfunkprogramm WDR5 eine Diskussion mit den Spitzenkandidaten von SPD und CDU zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen statt. Ein sogenanntes TV-Duell zwischen Hannelore Kraft und Jürgen Rüttgers. Was man selten sieht: Journalisten fragten konzentriert, und die Politiker argumentierten. Trotzdem erkenne ich aus dem Verlauf des Gesprächs heraus keine wirkliche politische Alternative zwischen den beiden Kandidaten. Soziale Themen dominierten, vielfach waren es aber Politikbereiche, die gar nicht in die Landespolitik fielen, wie zum Beispiel die Renten- oder die Gesundheitspolitik, die Kopfpauschale. Hierauf würde man erst Einfluß nehmen können, wenn man die Bundespolitik über den Bundesrat bei entsprechendem Wahlausgang blockieren könnte. Die Bildung nahm überhaupt einen großen Raum ein: gegliedertes vs. einheitliches Schulsystem. Und die unsozialen Studiengebühren. Es hat aber ein Geschmäckle, wenn die SPD-Kandidatin gleich zu Anfang der Sendung und dann wieder zum Schluß gegen die von Rot-Grün eingeführte Soziale-Kälte-Gesellschaft namens Hartz IV anredet und plötzlich entdeckt, daß die von ihrem Vorgänger Clement als Bundesminister eingeführte Förderung der Zeitarbeit von „den Firmen mißbraucht“ werde. Tenor: Es war doch alles so gut gemeint, es hätte so schön werden können. Andererseits entdeckte der CDU-Amtsinhaber fünf Minuten vor Schluß – wie peinlich – das Schreckgespenst Rot-Rot und sagt, er „möchte nicht mit den Grünen koalieren“. Um das auszuschließen, ist er zu vernünftig. Und am Ende gab es eine Gutenachtgeschichte vom Landesvater. Natürlich wurde die Live-Sendung auf Twitter begleitet. Die Twitter-Suche lieferte ständig zu dem Tag #tvduell Meinungen zum Verlauf. Auffällig war, daß bei dem Twitter-Konkurrenten Identi.ca über die Suchfunktion nicht eine Meldung hierzu sich finden ließ. Die dortige Suche ist bekanntlich problematisch. Aber Twitter ist auch sehr viel politischer, das wird leider immer deutlicher. – Welche Ansichten haben eigentlich die anderen Parteien, die zur Wahl stehen?
6 Kommentare zu „Rot-schwarze Diskussion zur Landtagswahl in NRW“
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>Auffällig war, daß bei dem Twitter-Konkurrenten Identi.ca über die Suchfunktion nicht eine Meldung hierzu sich finden ließ.
Das hat mehrere Gründe:
1. Die Leute, mit denen ich dort kommuniziere, sind äußerst politisch. Das ist kein Widerspruch, sondern auch der Grund warum nicht diese gelebte 140-Zeichen-Oberflächlichkeit Twitters praktiziert wird. Politische Gedanken(!) findet man bei jenen auf deren Publikationen.
2. Auf identi.ca wird aktiver kommuniziert anstatt konsumiert wie bei Twitter. Als Newsschleuder ist Twitter ideal, vor allem für jene, die die Erfindung von RSS verpaßten.
3. Auffällig bei vielen identi.ca-Usern ist die teilweise oder auch völlige Absage an das Fernsehen. Und das meint nicht nur das Gerät per se, sondern insbesondere die fragwürdigen und reichlich oberflächlichen Inhalte.
4. Ein TV-Duell (oder auch jene Polittalkshows) hat für mich das Niveau von „yes we can“ oder auf gut Deutsch BILD-Niveau. Der mündige Bürger unterscheidet sich vom Rest insbesondere ob der Erkenntnis gegenüber diesem panem et circenses.
Fazit: ich messe diesen 140-Zeichen-Diensten nicht viel Wert bei, sie dienen der Reichweite oder auch dem Smalltalk, gelegentlich auch als News-Lieferanten. Tiefe ist dort fehl am Platz, von daher auch jegliche sinnvolle Beschäftigung mit anspruchsvoller Materie. Was mich jedoch an identi.ca reizt: dort lerne ich interessante Leute kennen im Gespräch und von dieser Basis ausgehend, ist es dann nur noch ein kleiner Schritt zu deren Publikation. Twitter hingegen bietet mir nichts, ein Heer von „Posern“, jene die sich einen Namen machen möchten, dazu Legionen die diesen an den Lippen hängen und willig konsumieren. Imho der krasse Gegensatz zu tatsächlicher Politik.
Ich glaube, es ist eine neue digital divide entstanden, diesmal nicht zwischen den Abstinenten und den Internet-Nutzern, sondern innerhalb der Gruppe der Nutzer digitaler Medien: Hier der Mainstream bei FB, Twitter usw., wo man auch auf die alten Medien noch seine Aufmerksamkeit richtet (Fernsehen, Zeitungen, und eben auch solche Politikshows für die breite Masse), dort das freie Internet, wo sich zunehmend die Geeks sammeln. Kann das sein? Und was wären die Folgen davon? Was bedeutet es?
Ein kleiner Vermerk: ich habe nichts gegen Zeitungen. Mich tangieren Inhalte und dieses Fernsehen ignoriere ich mehr oder weniger gekonnt seit ca. 10 Jahren. Ich bin sehr analog, wenn es sich um die Buchkultur dreht, Kultur per se usw. Ich bin hingegen sehr digital, ist denn der Kontext „aufgebauschte News im Minutentakt“. Für die Hintergründe trage ich selbst Sorge, mir langt im Prinzip ein Newsticker a la dpa/ap/reuters.
>dort das freie Internet, wo sich zunehmend die Geeks sammeln.
Ich habe keine Ahnung wo sich irgendwelche Geeks jetzt versammeln. Ich bin seit Anfang der 80er den Computern verhaftet und startete schon recht früh auf diversen BBS durch, von daher muß ich mich nicht positionieren, sondern ich habe längst meinen Platz gefunden.
Ich nehme an, daß was du da heute als Geeks bezeichnest (siehe z.B. computerbase.de) sind in der Regel ebenso oberflächliche Zeitgenossen, die sich mehr dem Mainstream verorten lassen. Man kauft neue Gerätschaften, ist irgendwie technophil – aber vermeidet auch allzu „komplexe“ Tiefe. Ebenso wie in diesem „Politiklager“. Will ich bei beiden Thematiken gehaltvolle Diskussionen schrumpfen die Vertreter der einzelnen „Lager“ recht schnell auf eine leicht überschaubare „Masse“ zusammen.
Diese wenigen ziehen sich in ihre jeweiligen Refugien zurück, als Interessierter hast du somit ein Höchstmaß an Aufwand mit diesen in Kontakt zu treten — der ganze digitale noise des Mainstream muß schließlich durchwandert werden. Vielleicht ist identi.ca so ein Beispiel für ein Refugium, allerdings Tiefe ist dort auch fehl am Platz — man kann allenfalls Kontakte knüpfen, falls dies im Smalltalk gelingt.
Schau dir fefe an, dessen Informationen beschränken sich teils nur auf einen Link und einen knackigen Kommentar. Und dennoch käme er kaum nach müßte er sich denn stetig auf 140 Zeichen beschränken, zudem liegt die Aufmerksamkeitsspanne bei diesen Diensten meist nur auf der aktuellen Seiten bzw. zwei, drei zurückliegenden Seiten. Selbst also für die News-Abnahme als bloßer Konsument, muß ich stetig meinem Stream folgen. Wo bleibt dabei die Zeit für eine tiefere Beschäftigung mit der jeweiligen Materie? Diese Dienste konditionieren auf Oberflächlichkeit.
Und was bleibt bei Facebook? Ein Plus an Kommunikation sicherlich, aber auch ein gewaltiges Minus an Datenschutz und letztendlich ein durch und durch abgeschlossenes System. Ich dachte damals Foren wären mehr oder weniger geschlossene Gesellschaften (wir verabschiedeten uns u.a. aus diesem Grund von diesen und gründeten F!XMBR), FB belehrte mich eines besseren.
Ich teile Deine Skepsis gegenüber Microblogging, aber trotzdem ist so ein Ticker, den die Zivilgesellschaft betreibt, doch immer wieder interessant (wenn auch nicht immer).
Ad Geeks: Es ist auffällig, daß die deutschsprachigen Nutzer von Identi.ca sehr viel homogener zusammengesetzt sind als auf Twitter. Fast jeder hat hier irgendwie einen Bezug zur IT, jedenfalls lt. selbstformulierter Bio, aber auch vom Inhalt der Streams her ersichtlich. Man ist hier doch sehr unter sich.
Habe heute übrigens zum ersten Mal einen „Like“-Button aus dem freien Netz in Aktion in meiner FB-Timeline vorgefunden. Das wird um sich greifen. Die User werden zunehmend keine Links mehr posten und sich innerhalb des Netzwerks darauf mit ihren Bewertungen beziehen, sondern direkt im Web Angebote bewerten. Diese Daten sammeln sich dann bei FB. Und bei den Anbietern sammeln sich umgekehrt die Daten, die FB dabei nach draußen gibt. Dadurch wird alles, was nicht in FB ist, gleichzeitig zu einem Wurmfortsatz von FB, zu einem Drumherum.
Ich wette, wir werden schon sehr bald auch die Diskussion um die Netzneutralität ganz anders führen als bisher. FB wird immer Vorfahrt haben, und damit seine Nutzer auch.
Auch das sind Aspekte einer neuen digital divide. Wer nicht auf FB ist, stände dann draußen vor der Tür.
Das „freie“ Netz starb imho auch mit dem Advent des sogenannten Mitmachwebs. Denn dieses Web 2.0 ist tatsächlich nur ein Meer von Insellösungen, welches „social“ allenfalls dort kennt wo es unumgänglich ist. Z.B. Twitter und Facebook lassen sich kaum ignorieren, ergo muß man sich zu diesen öffnen, vice versa sind es oft nur rudimentäre Status-Updates.
Ich teile Olivers Einſchätzung: identi.ca iſt einfach nicht das richtige Medium, um eine politiſche Diskuſſion mit Hand und Fuß zu führen. Der letzte Satz hatte übrigens 139 Zeichen, ſo daſs dieſes Poſting im Microblogging ſchon beendet geweſen wäre … bei ſolchen Limitierungen iſt es einfach nicht möglich, tiefere Gedankengänge angemeſſen auszuführen. Denoch hat dieſer Dienſt durchaus ſeine Berechtigung, und wie ich finde nicht nur als Linkſchleuder (auch wenn das in der Praxis wohl ſeine wichtigſte Funktion ſein dürfte) – ſchon allein da dem Zwang, ſich auf wenige Zeichen zu beſchränken, eine Tendenz zum prägnanterem Formulieren innewohnt.
Was die Ausweitung des ›Like-Buton‹ von Facebook auf viele Teile des ›normalen‹ Netzes betrifft, bin ich etwas geſpalten: Grundſätzlich halte ich es durchaus für begrüßenswert, wenn durch Linkempfehlungen das Netz etwas mehr ›demokratiſiert‹ und damit die derzeitig beſtehende enorme Macht einer einzigen Suchmaſchine durch die Auswahl ſeiner Toptreffer etwas eingeſchränkt werden ſollte; gleichzeitig miſsfällt mir, daſs dies ausgerechnet über Facebook geſchehen könnte – denn bei dieſer Firma ſind Datenſchutzbedenken durchaus angebracht. Auch Google verſucht natürlich, möglichſt viel über ſeine Nutzer zu erfahren (um dann damit etwa durch maßgeſchneiderte Anzeigen Profit zu erwirtſchaften), aber wenigſtens geben ſie ihre Daten (bisher) nicht weiter. Facebook ſcheint mir hingegen bei der Weitergabe von Daten an andere Firmen weitaus ›lockerer‹ zu ſein … es wird zwar ein Warnhinweis angezeigt, aber wie viele ›normale‹ (ſprich nicht für dieſe Thematik ſenſibiliſierte) Anwender werden den einfach wegklicken? Zudem ſind die Informationen bei Facebook (insbeſondere die Bekanntgabe des geſamten Freundes- bzw. eher Bekanntenkreiſes) teilweiſe ja doch recht privater Natur, was ihre Weitergabe zur kommerziellen Nutzung nur um ſo bedenklicher macht.
Zu meiner Schande muſs ich geſtehen, daſs mein eigener von Poſterous gehoſteter Kleinigkeiten-Blog ſeit kurzem über genau dieſen Like-Button verfügt – ich war bisher einfach zu faul, ſelbſt den HTML- und CSS-Code anzupacken und habe es deshalb beim Standardſkin belaſſen. Wobei die meiſten anderen Nutzer das wohl auch eher als höchſt begrüßenswertes Feature anſahen – viele Blogger ſind dann ja doch recht egozentriſch und wünſchen ſich ſo viele Verlinkungen auf ihren Blog wie möglich, deshalb glaube ich, daſs ſich das doch recht ſchnell auf breiter Front durchſetzen könnte. Aber genug in die Glaskugel geſchaut :).