Das einzig Beständige ist bekanntlich der Wandel. Das Internet reorganisiert sich laufend neu. Die Benutzer wenden sich den Knoten zu, die ihren Interessen entsprechen, und gruppieren sich hierum. Immer wieder neu: „Wo itzund Städte stehn| wird eine Wiesen seyn| Auff der ein Schäfers-Kind wird spielen mit den Herden.“[1] Nach zehn Jahren im Netz habe ich schon viele Dienste aufkommen und wieder untergehen sehen. Mailinglisten, Newsgroups, Foren und alle möglichen anderen Kanäle wuchsen, und dann schrumpften sie wieder, früher oder später. Facebook war der langweiligste Kanal von allen, die ich im Laufe der Zeit kennengelernt habe, biedermeierlich. Manche User haben alle diese Entwicklungen mitgemacht und sind heute noch aktiv, auf jeweils anderen Plattformen, die gerade „in“ sind. Andere bleiben bei einem oder mehreren Diensten, die sie persönlich interessant finden. Alle virtuellen Communities aber sind grundsätzlich gleichwertig, es gibt keine „besseren“ oder „schlechteren“. Man findet allenthalben wieder jemand, mit dem man sich virtuell gehaltvoll austauschen kann, nicht nur in den sozialen Netzwerken. Es geht also auch ohne all diese. Diese Beobachtung relativiert die Bedeutung jeder Online-Community. Man muß nicht auf allen Kanälen senden und empfangen, die es gibt, nur weil das grundsätzlich möglich wäre. Es gibt auch gute Gründe für eine Abstinenz vom Web 2.0. Weniger ist mehr. Keine virtuelle Community ist gleichwertig mit einer realen Gemeinschaft im wirklichen Leben.
Nachdenklich gemacht hatte mich zuletzt die These von Danah Boyd, wonach Facebook eine Art Infrastruktur sei oder jedenfalls sein wolle. Das ist aber grundfalsch. E-Mail ist eine Infrastruktur, das Usenet auch, IRC, meinetwegen auch OStatus oder Jabber. Facebook aber ist eine proprietäre und geschlossene Insel, oder wie ich eingangs auf nettime-l schrieb: Facebook is a closed shop. Es ist deshalb entbehrlich. Wenn dort mal etwas wirklich Bemerkenswertes passieren sollte, werde ich es garantiert erfahren. Ich muß nicht selbst mit dabei sein. Meine Lebenszeit kann ich anders und besser verbringen. Und es ist übrigens auch bei weitem nicht so, daß „alle auf Facebook“ wären: Gerade weil das nicht so ist, eignet sich die Plattform nicht einmal zum Organisieren eines Kaffeenachmittags in meinem Bekanntenkreis. Das machen wir per E-Mail und Telefon. Übrigens fände ich es auch keinen erstrebenswerten Zustand, wenn „alle auf Facebook“ zu finden wären.
Deshalb habe ich heute an der Aktion Quit Facebook Day teilgenommen, von der ich im Blog von Geert Lovink gelesen hatte. Ich habe meinen Account nicht nur deaktiviert, sondern gelöscht. Bis zum Montag möchte ich damit nicht mehr warten. Unnützen Ballast soll man abwerfen.