Gute Gründe gegen Volksentscheide

Viele gute Punkte hat Christian Sickendieck bei F!xmbr gegen Volksentscheide zusammengetragen. Entscheidend finde ich Nr. 2, denn was uns ganz sicher abhandengekommen ist, ist eine positive Utopie im Blochschen Sinne, deren Verwirklichung man anstreben kann. Der Kapitalismus tut zwar so, ist aber natürlich keine Utopie, sondern schlicht nackte Gewalt der haves über die have nots.

Skeptisch wäre ich, was die Herrschaft des Rechts über die Politik angeht, denn was wir seit längerem schon sehen, ist ja eigentlich ein Mißbrauch des Bundesverfassungsgerichts durch die politische Klasse. Ich hatte das einmal den Bundesverfassungsgerichtsstaat genannt, der auf den Rechtsstaat gefolgt ist, und jede Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts gegen die Politik führt uns nur immer tiefer in den Bundesverfassungsgerichtsstaat hinein.

Am schlimmsten wäre übrigens nicht, daß die INSM (also die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“) einen Volksentscheid initiieren könnte. Am schlimmsten an so einem Szenario wäre m.E., daß sie es über ihre Strohmänner machen würde, so daß man wahrscheinlich erst durch investigative Methoden herausfinden müßte, wer finanziell dahintersteckt, wenn eine dementsprechende Aktion von so einer Organisation durchgezogen würde.

Entscheidend scheint mir, was Christian am Ende anspricht: Die Utopie- und Perspektivlosigkeit der Politik, die Entfremdung der Politiker vom Leben und von der restlichen Gesellschaft und die zunehmende Auslaugung der politischen Klasse, der immer mehr Akteure abhanden kommen, während neue gar nicht erst eintreten, kann durch eine Umstellung auf oder durch eine verstärkte Ergänzung von parlamentarischen Entscheidungen durch Volksentscheide nicht beseitigt werden. Politik muß sich im Parlament abspielen. Das Parlament muß die Lager in der Bevölkerung wiederspiegeln, abbilden, und hier müssen die Lagerkämpfe, die es ja nur angeblich nicht mehr gibt, ausgetragen werden. Nur Rechtsextremisten haben etwas gegen den Parlamentarismus und gegen die Organisation der politischen Meinungsbildung in Form von politischen Parteien. Deshalb unterstützen sie Volksentscheide.

Kommentar bei F!xmbr, 20. Juli 2010.

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