Meine Meinung zur Qualität von Wikipedia, zur Qualitätssicherung und insbesondere zu den allerorts fehlenden Belegen zu den Artikeln habe ich in einer Reihe von Thesen zur Qualität von Wikipedia zusammengefaßt und begründet. Anlaß war die Diskussion zu beleglosen Artikeln, die ich am 25. August 2010 in der deutschsprachigen Wikipedia angstoßen hatte.
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Als enzyklopädisches Projekt, ist Wikipedia grundsätzlich ein (wenn auch: sehr spätes) Kind der Aufklärung.
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Die Methode der Aufklärung ist die Wissenschaft.
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Wissenschaftlich arbeiten heißt mit Bezug auf Wikipedia, nachvollziehbar zu argumentieren, also so, daß der Leser jederzeit in der Lage ist, alle Aussagen, die in einem Artikel gemacht werden, anhand externer Quellen zu überprüfen.
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Aussagen wie: „Wikipedia ist nicht wissenschaftlich“ sind deshalb abwegig. Es genügt nicht, daß das Wissen, das in Wikipedia gesammelt wird, „frei“ ist, es muß sich bei den Inhalten von Wikipedia überhaupt um „Wissen“ handeln. Unwissenschaftliches „Wissen“ ist kein Wissen, sondern Geschwätz.
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Beispielhaft für die Haltung der Mehrheit im Projekt ist die Aussage: „Fehlende Belege werden nur bei Bedarf bemängelt, nicht aus Prinzip, sonst könntest du die zweite Million [Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia; d.Verf.] knicken.“
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Die Nachvollziehbarkeit ist das wichtigste Qualitätskriterium für einen Artikel, weil die Wikipedia im Unterschied zu den früheren Enzyklopädien, die von vornherein auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitet worden waren und die deshalb den Bestand an Lehrmeinungen zu einem bestimmten Zeitpunkt wiedergeben, keinen Vertrauensvorschuß für sich in Anspruch nehmen kann.
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Aufgrund des Wiki-Prinzips (jeder kann alles an jeder Stelle eintragen), sind alle Informationen in Wikipedia prinzipiell unsicher.
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Nur offensichtlicher Vandalismus fällt jedem sofort ins Auge und kann leicht wieder beseitigt werden.
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Sehr problematisch ist die Lobbyarbeit, PR, Werbung, mit einem Wort: Spam und inhaltliche Manipulationen, die es in großer Zahl in den Artikeln gibt.
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Halbwissen bis hin zur urbanen Legende fällt in der Regel nur denjenigen auf, die sich mit einem Thema gut genug auskennen – so gut, daß sie ein Nachschlagewerk wie die Wikipedia gar nicht mehr konsultieren müssen, um sich über einen Gegenstand, der darin beschrieben wird, noch zu informieren. Sie wären die idealen Autoren. Leider sind sie in der Community in der Minderheit, was vor allem daran liegt, daß viele Wikipedia-Autoren nicht über ihr eigenes wissenschaftliches Fachgebiet, sondern über Themen schreiben, mit denen sie sich nur liebhabermäßig beschäftigten.
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Nachvollziehbarkeit ist nur durch Belege zu erreichen.
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Alle Aussagen eines Artikels sollen deshalb durch Belege nachvollziehbar sein.
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Es gibt keine nicht zu belegenden Aussagen und Behauptungen in Wikipedia-Artikeln.
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Ein Beleg kann auch durch die Bezugnahme auf einen anderen Artikel (Wikilink) erfolgen, wenn dieser seinerseits in hinreichender Weise belegt ist.
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Als Belege sind grundsätzlich Primärquellen anzugeben (z.B. Urteile und Beschlüsse mit der genauen Fundstelle in der Fachliteratur oder in einer – möglichst allgemein zugänglichen – Datenbank; Fundstellen aus Standardwerken; die Originalarbeiten mit der Fundstelle in der jeweiligen Fachzeitschrift). Sekundärquellen sind nur hilfsweise erlaubt. Sie können Primärquellen nicht ersetzen, sondern dienen nur dazu, die fachliche Diskussion zu einem Thema zu referieren.
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Wikipedia ist voll von beleglosen Artikeln. Sie sind insoweit zu vergänzen. Spam (Werbung in Weblinks, Literaturhinweisen und Belegen) ist zu entfernen. Das Mittel der Wahl für dies alles ist grundsätzlich die Qualitätssicherung. Die Erfahrung zeigt leider, daß es nur selten gelingt, einen Artikel insoweit in einer angemessenen Zeit zu verbessern. In den meisten Fällen werden Artikel erst grundlegend überarbeitet und verbessert, nachdem ein Löschantrag gestellt worden ist. Davon sollte dann auch gebrauch gemacht werden, denn unbelegte Aussagen sind zu löschen. Das gilt auch für ganze Artikel.
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Wikipedia kann nur insoweit als Informationsquelle (und darüber hinaus: selbst als Beleg für darauf aufbauende Arbeiten) dienen, als Aussagen in Wikipedia-Artikeln in hinreichender Weise belegt worden sind.
Ob letzteres vorliegt, muß der Benutzer von Fall zu Fall selbst entscheiden. Im Anschluß an Kants Diktum: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ Aufklärung ist eben vor allem: Selbst-Aufklärung und Selbst-Kritik. Sie setzt deshalb ein Verständnis für das jeweilige Medium voraus, dessen man sich zu seiner Information bedient.
Ein Gedanke zu „Thesen zur Qualität von Wikipedia“
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