Am letzten Tag des Jahres, das ein langes Jahr für mich war, voll von offenen Fragen, werde ich an ein Zitat erinnert, das ich gerne weitergeben möchte. Rainer Maria Rilke schrieb in einem Brief an Franz Xaver Kappus vom 16. Juli 1903:
„Sie sind so jung, so vor allem Anfang, und ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, lieber Herr, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.“
Ich möchte mich sehr, sehr herzlich bei allen bedanken, die mir in der letzten Zeit bei meinem Versuch behilflich waren und die mich auch dazu angeleitet haben, in diesem Sinne „in die Antwort hinein“ zu leben, die mir dabei geholfen haben, besser zu mir selbst zu finden, und die viel mehr Licht und Leichtigkeit in mein Leben gebracht haben. Mit der Erinnerung daran will ich das neue Jahr beginnen und den Weg weitergehen, den ich begonnen habe.
Mein Umstieg von Delicious zu BibSonomy ist unproblematisch verlaufen. Leider ist das Firefox-Add-on zu BibSonomy kaum brauchbar, aber das fällt nicht ins Gewicht, weil man sich eine andere Lösung ausgedacht hat, die ebenso praktikabel ist. Der Dienst stellt mehrere Schaltflächen bereit, die man per Drag und Drop in die Lesezeichen-Symbolleiste von Firefox ablegen kann. Beim Anklicken werden die Daten zu der aktuell im Browser dargestellten Seite mithilfe von JavaScript in BibSonomy abgelegt. Eine kurze Charakterisierung des Inhalts wird dabei aus den Metadaten der Seite übernommen, falls diese vorhanden sind. Ansonsten kann man sie selbst ergänzen, wie auch die Tags zu dem Bookmark. Und: Ein ganz großes Lob an den Support, der auch vom 23. zum 24. Dezember innerhalb von 12 Stunden bereitstand.
Auch der Import von bibliographischen Daten aus dem Hebis-Portal (Button: „Senden an: BibSonomy“) funktioniert sehr schön. Gleiches gilt für den Import von BibTeX-Einträgen aus dem Rhein-Main-Portal der DigiBib, über den ich auch den OPAC unserer örtlichen Stadtbibliothek abfragen kann. Ein echter Pluspunkt von BibSonomy ist der Datenexport. So viele Formate wie BibSonomy beherrscht kein anderer Bookmarking-Dienst, allen voran BibTeX. Die Plattform zielt nicht auf das Massenpublikum. Sie wird von der Universität Kassel betrieben und hat deshalb die Bedürfnisse wissenschaftlicher Anwender besonders im Blick. Offene Lösungen behagen mir sowieso sehr viel mehr als proprietäre und kommerzielle Dienste. Deshalb bin ich mit der Entscheidung für BibSonomy derzeit sehr zufrieden.
Bei der 44. Folge der Reihe „Streitfall – Autoren in der Kontroverse“ im Frankfurter Literaturhaus verglich Klaus Wagenbach am 10. Dezember 2010 seinen Verlag mit dem Carl Hanser Verlag. Dessen Leiter Michael Krüger habe immer wieder betont, wie wichtig es sei, weniger gut verkäufliche Bücher durch gut gehende Erfolgstitel quersubventionieren zu können. „Aber wo sind sie denn, die Gedichtbände“, die deshalb in Krügers Verlag erscheinen konnten, fragte Wagenbach in die Runde.
Die Ergebnislisten bei den Suchmaschinen werden nun schon über einen längeren Zeitraum hinweg immer zufälliger, nicht nur bei Google. Zu Tode optimiert. Die Zeit der allgemeinen Suchmaschinen ist vorbei. „Nachschlagen online“ setzt zu wissen voraus, welche Datenbanken, Verzeichnisse und Archive es gibt, in denen die Informationen zu finden sind, die man gerade benötigt. Diese Form von Meta-Wissen, „zu wissen, wo es steht“, ist noch mehr vonnöten als früher, weil das Angebot an Quellen und die Auswahl hieraus schwieriger geworden sind. Einfach nur Googlen, war gestern. Und wenn man die Suchmaschine als eine Konstruktion des Webs versteht, so ist es auch damit vorbei. Das Web wird in diesem Sinne derzeit dekonstruiert. Es war einmal eine Zeit, in der wir alle ständig gegoogelt haben. Was es in Google nicht gab, gab es nicht online. Durch sein eigenes Versagen schafft Google heute eine ganz neue Spielart des deep web: Daten, die durchaus indexierbar wären, die möglicherweise auch indexiert worden sind, die aber nicht mehr als Treffer ausgegeben werden. Aus welchen Gründen auch immer. Umso wichtiger werden freie Quellen im Netz und freie Initiativen, die diese Lücke intelligent und gehaltvoll füllen. So entsteht die Chance für ein neues Paradigma, das das ewige Suchen ersetzt.
Im Wikipedia-Kurier wird auf ein neues Werkzeug aus den Google Labs hingwiesen, mit dem man den Textkorpus von Google Books auswerten kann. Der Ngram Viewer erlaubt die Suche über mehrere landessprachliche Korpora sowohl für einzelne Stichwörter als auch im Vergleich miteinander (ein sogenanntes N-Gramm). So kann man beispielsweise darstellen, wie sich die Begriffe Holocaust und Shoah seit Mitte der 1980er Jahre ergänzt, aber nicht auf gegenseitige Kosten verdrängt haben.
Natürlich hat mich interessiert, ob es eine Besonderheit bei dem Begriff Gefahrtarif zu erkennen gibt. Die sprunghafte Zunahme der Rechtsstreitigkeiten um die Gefahrtarife insbesondere der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft seit 2000 hat laut Ngram-Viewer tatsächlich zu einer ebenso sprunghaften Zunahme der Häufigkeit dieses Begriffs im deutschen Textkorpus von Google Books geführt, die auch darüberhinaus weiter anhält.
Hierzu wäre natürlich anzumerken, daß der Korpus von Google Books in keiner Weise repräsentativ wäre für die deutsche Sprache (oder für irgendeine andere Sprache, die dort erfaßt wird), denn darüber, welche zeitgenössischen Werke in Google Books eingestellt werden, entscheiden allein die Verlage und die Urheber dieser Werke, wie man mir am Buchmessestand von Google erklärt hatte. Nur bei den gemeinfreien Werken bediene sich Google nach eigenem Gutdünken. Außerdem dürften dort bei weitem mehr wissenschaftliche als populäre oder belletristische Werke erfaßt worden sein. Die Verlage entscheiden zudem darüber, welche Textausschnitte zu Werbezwecken bei Google abrufbar sind. Der Textkorpus von Google Books ist genauso unbekannt wie alles übrige auch bei Google, insbesodere die Suchalgorithmen. Google ist sozusagen die größte black box des Internets. Rückschlüsse von Google Books auf „die deutsche Sprache“ sind also nur innerhalb gewisser Grenzen zulässig… trotzdem ganz sicherlich ein sehr interessantes Tool.
In der Rotunde der Frankfurter Kunsthalle Schirn ist derzeit eine ganz ungewöhnliche Installation frei zu sehen. Barbara Kruger hat dort rundum Schriftzüge anbringen lassen, die den Betrachter innehalten lassen. Man hebt den Kopf, konzentriert sich auf die Schriftzüge, aus denen das Kunstwerk besteht. Der Text läuft eng im Kreis, an der Decke, an der Wand entlang, auf dem Boden. Kruger erzählt, sie habe die Schriftart „Helvetica Ultra Condensed“ für diese Arbeit verwendet. Ihre Texte seien ziemlich kurz. Früher habe sie Zeitschriften gestaltet, dadurch habe sie sich mit dem Textfluß beschäftigt. Sie interessiere sich sehr viel mehr für Fragen als für Antworten.
Barbara Kruger. Circus. Schirn Kunsthalle. Frankfurt am Main. Bis 30. Januar 2010.
wenn der weiße schnee, der alles bedeckt hat, schmilzt, erscheint die welt wieder, wie sie ist, nicht: wie sie war