Ernst Barlachs „Lesende Mönche III“ sind derzeit im Museum für Neue Kunst in Freiburg zu sehen, als Leihgabe aus dem Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld. Etwa fünfzig Werke wurden ausgeliehen, solange in Krefeld renoviert wird, eine schöne Ausstellung für Freiburger Verhältnisse. Aus meiner Sicht war es etwas enttäuschend, alles in allem. Ein Raum Impressionismus, einer Expressionismus, einer Mondrian, Kandinsky, rheinischer Expressionismus. Man kennt das. Aber für die Plastik von Barlach hatte sich der Besuch gelohnt. 1932. Man denkt an die bevorstehende „Machtergreifung“ der Nazis, die wenig später Barlachs Werke zu den „entarteten“ zählen würden. Man denkt an den im Vorfeld des Dritten Reichs zunehmenden Antisemitismus und die allgemeine Stimmung, die Thea Sternheim just in diesem Jahr nach Frankreich emigrieren ließen. Weltwirtschaftskrise. Barlachs „Lesende Mönche“ zogen mich an, sobald ich sie gesehen hatte. Sie sind eine Art Gegenmodell zu all dem. Eine sehr große Ruhe geht von der kleinen Plastik aus, betont von den weichen Formen. Die beiden Männer sind einander zugewandt, einer hält ein Buch, in dem sie lesen. Als gäbe es nichts um sie her, obwohl sich gerade in diesen Jahren vieles entschied, was jeder wissen konnte, der sich eingermaßen auf dem Laufenden hielt. Für sie gibt es nur dieses Buch, in diesem langen Moment, in dem sie ruhig dasitzen und darin gemeinsam lesen. Versunken in den Text. In eine andere Welt, die es ebenfalls gibt und die wahrscheinlich die bessere ist. Ein radikaler Gegenentwurf, der bis heute wirkt, der bis heute aktuell ist. Denn es geht eine große Gegenwärtigkeit von der Plastik aus, keine Weltflucht. Sie ist auch alles andere als „von gestern“. Wenn es ein Prinzip Hoffnung in der bildenden Kunst gäbe, dann wäre es für mich verkörpert durch Ernst Barlachs „Lesende Mönche III“.
Bearbeitete Notizen vom 6. und 7. November 2010. – Die Ausstellung „Farbwelten. Von Monet bis Yves Klein. Werke der klassischen Moderne aus den Kunstmuseen Krefeld“ wird seit dem 6. November 2010 noch bis zum 30. Januar 2011 im Museum für Neue Kunst in Freiburg im Breisgau gezeigt.
Ein Plakat mit dem »Lesenden Klosterschüler« hängt in meinem Zimmer, aber das Erlebnis der Plastiken selbst ist noch etwas anderes und nicht zu ersetzen. Allein schon »Der Schwebende« rechtfertigte eine Reise nach Güstrow.