Deutliche Worte von Thomas Strobl zur Causa Sarrazin/SPD, warum aber dann zum Ende so ein Frankfurter Allgemeiner „Eiertanz“ (Enzensberger)? Natürlich kann man es der SPD nicht nachsehen, daß sie Sarrazin nicht ausgeschlossen haben, denn sie erhofft sich damit ganz offenbar Stimmen aus den Reihen der Befürworter solcher Positionen. Damit stellt sie sich weiterhin außerhalb des demokratischen und sozialstaatlichen Konsenses, den sie schon vor langem aufgekündigt hatte, und treibt weiterhin den Klientelparteien die Wähler zu. Damit schafft sie sich auf lange Frist gesehen ganz sicherlich selbst ab, während bürgerlich-rechte Positionen (sei es die FDP oder seien es die Grünen) immer mehr an Boden gewinnen. Nützen kann das letztlich nur der CDU/CSU, und wer wollte das denn, bitte, goutieren?
Auf die Erwiderung hin, die Parteiführung der SPD habe Sarrazin gegenüber sich in einer ähnlichen Lage befunden wie Bundeskanzlerin Merkel, als sie zu Guttenberg wegen dessen Popularität nicht habe fallen lassen wollen:
Der Vergleich mit zu Guttenberg geht leider fehl, denn er war als akademischer Betrüger geradezu ein Milchbub im Vergleich zu dem geistigen Brandstifter Sarrazin, der mit seinem Buch nur spalten wollte – sonst schreibt man sowas nicht. Weil es dabei gegen sozial Schwache ging, wurde das natürlich durch Bild und Spiegel befördert und war infolgedessen auch mehrheitsfähig – im Sinne dessen, was demoskopisch gemessen wird.
Kommentare, FAZ.NET, 23. April 2011, ebenda.
Aua! Es tut weh, wenn Salz in offene Wunden geſtreut wird, aber ich kann der Diagnoſe leider nicht wiederſprechen (was nochmal genauſo weh tut) :(.
Ich möchte aber einmal betonen, daſs die Schiedskomiſſion (SG) irgendeines Berliner Bezirkes nicht für alle Sozialdemokraten ſpricht! Der Vorſtand hat ſeinen Antrag auf Parteiausſchluſs nur deshalb zurückgezogen, weil das beim SG keine Ausſicht auf Erfolg hatte; die SGs in der SPD ſind lt. Organiſationsſatut in ihrer Entſcheidung frei, so wie auch Gerichte unabhängig ſind – und Fehler machen können. So wie hier :(.
»Sie erhofft sich damit ganz offenbar Stimmen aus den Reihen der Befürworter solcher Positionen« – das hoffe ich nicht; ich vermute eher Feig- und Dummheit bei den Entscheidenden. (Und ein Übermaß an Pragmatismus: wer schon einmal ein solches internes Schiedsverfahren durchzusetzen versucht hat, weiß, wie schwierig es ist, parteischädigendes Verhalten nachzuweisen. Aus dieser Erfahrung könnte man versucht sein, es zu lassen. Dass man dies in diesem Falle ganz bestimmt nicht durfte, sondern bis zur letzten Instanz hätte durchfechten müssen, ist klar.)
Das ist eben ein echter Fehler. – S. o.
also, ich mag die nahles und den gabriel auch nicht, aber so nicht, wie sie, ifenn, dann doch auch wieder nicht.
„Damit stellt sie [die SPD] sich weiterhin außerhalb des demokratischen und sozialstaatlichen Konsenses, den sie schon vor langem aufgekündigt hatte, und treibt weiterhin den Klientelparteien die Wähler zu.“
Starke Worte. Dass die SPD die fgGO (ausserhalb des demokratischen Konsens) oder den Sozialstaat (ausserhalb des sozialstaatlichen Konsens) abschaffen will, kann ich mit Bordmitteln nicht feststellen. Vielleicht halten Sie Ihre persönliche Meinung für allgemein verbindlich, dann weiterhin viel Spass dabei.
Man könnte (wenn man es nicht besser wüsste) die Erledigung der causa Sarrazin durch die SPD als einen Akt politischer Klugheit, ja geradezu Weisheit verstehen, besser einen drinnen zu lassen, der draussen grösseren Schaden verursachen würde. Und politische Ambitionen hat Sarrazin bisher nicht bekundet, soviel ich weiss, ist der ganz popliges Mitglied ohne Funktion. Was der, Beitragsehrlichkeit vorausgesetzt, allein an Beiträgen latzt, wo sich das Buch doch so dermassen verkauft.
Nachdem wir den Herbst der Volksparteien erleben (die SPD kommt in Sachsen nicht mehr an 10% der Stimmen), liegt die Zukunft bei den Klientelparteien. Eigentlich warte ich schon lange auf eine Spaltung der SPD, und auch der CDU sage ich das voraus. Tendenz: Weimarer Verhältnisse mit stücker fünf staatstragenden Parteien.
Für mich viel interessanter ist die Frage, wer von den staatstragenden Parteien als erste den Sarrazin macht. Denn 15% Stimmen sind da sicher drin.
Mein Tip: Die FDP in der Ära nach Westerwelle in der Opposition. Die wären verzweifelt genug, auf dem Tiger reiten zu wollen. Nicht abwegig, auf Spaltung und Europafeindlichkeit zu setzen, wo schon die Düpierung der Verbündeten neulich im Inland auf erstaunlich geringe Resonanz gestossen ist. Die Westbindung ist schon einmal entbehrlich, worauf können wir noch verzichten, wenn es ins Amt und zu Posten verhilft?
Btw, sagt jemand noch der Name v. Stahl etwas?
In Deutschland kann sich ein Betroffener gegen einen Parteiausschluss vor den ordentlichen Gerichten zur Wehr setzen (was Sarrazin von Anfang an angekündigt hatte). Der Ausschluss muss mithin sorgfältig begründet werden.
Glasklar ist die Angelegenheit nur, wenn sich jemand explizit gegen die eigene Partei stellt, also z. B., wenn man dazu aufruft, eine andere Partei zu wählen. Über die SPD hat sich Sarrazin nie abfällig geäußert.
Vermutlich werden sich die Verantwortlichen nach einem 3/4 Jahr, nachdem die Blutdruckmedikamente abgesetzt worden sind, die Schriftsätze und insbesondere „Deutschland schafft sich ab“ (DSSA) nochmal in Ruhe durchgelesen haben.
Und dabei dürfte ihnen aufgegangen sein, dass man keine Zeile, keine „smoking gun“ von Sarrazin findet, welche einen Parteiausschluss in der Weise rechtfertigt, dass er vor Gericht Bestand haben könnte. Die meisten Zeitgenossen, die in Sarrazin den Leibhaftigen erblicken, haben sich ihre Meinung zu DSSA nicht durch die Lektüre des Buches selbst gebildet, sondern durch die hysterisch kundgetanen Meinungen Dritter, die das Buch vermutlich auch nicht gelesen haben.
Wer z. B. heute noch behauptet, Sarrazin hätte den türkischen Migranten eine genetisch bedingte geringere Intelligenz zugeschrieben oder so etwas auch nur angedeutet, der hat DSSA entweder nicht gelesen, oder er lügt.
Man mag sich an einer polemischen Überspitzung Sarrazins wie „Kopftuchmädchen“ reiben, aber da haben sich legendäre SPD-Größen wie Helmut Schmidt, Heinz Kühn (der nun wirklich nicht im Verdacht stand, ausländerfeindlich zu sein), Herbert Wehner oder Holger Börner in der Vergangenheit schon viel deftiger zur Migrationsthematik geäußert. Ein Problem könnte daran bestehen, dass Sarrazin eine knackige deutsche Prosa pflegt, sofern er nicht über Seiten hinweg Statistiken auswertet und über Kohorten und 1/4-Quantile räsonniert. Sarrazin hat überdies einen absolut staubtrockenen Humor, so etwas wird in Deutschland oft nicht verstanden.
Der Ausdruck „Kopftuchmädchen“ fiel übrigens in einem Interview mit „Lettres“, aus welchem der geneigte Leser so viel über die Berliner Politik und Berliner Wirtschaftsgeschichte seit dem 19. Jahrhundert erfährt, dass es fast schon Lehrbuchqualität hat.
BTW: Manchmal wundere ich mich darüber, wer mein Blog liest und kommentiert… aber ich habe heute alle Kommentare, die sich eingestellt haben, freigeschaltet.
Ich möchte an dieſer Stelle noch auf die Berliner Erklärung hinweiſen (die ich eben mitunterzeichnet habe); ſo kann man als Mitglied der ſozialdemokratiſchen Baſis wenigſtens ſeinen (diplomatiſch formulierten) Unmut kundtun.
Danke für den Link. Ich bin gespannt, wie viele das unterzeichnen werden, heute mittag liefen die Unterschriften sozusagen im Minutentakt ein. Man muß aber hinzufügen, daß die meisten, die anderer Ansicht waren, die SPD schon längst verlassen haben und deshalb nicht mehr unterzeichnen können. Ich hätte zum Beispiel auch gerne unterschrieben, kann das aber nicht, weil sich die Petition ausdrücklich nur an Parteimitglieder richtet.