Diese Ausstellung ist bestenfalls ein ironisch gebrochener Rückblick auf eine Zeit, die ihre Zukunft schon lange hinter sich hat. Der Surrealismus ist sowas von vorbei, aber man glaubt es erst, wenn man mit seinen Überbleibseln so unmittelbar konfrontiert wird wie hier.
Die Werbung, die für die Schau gemacht wird, ist irreführend. Der Hummer auf dem Telefon ist nicht originell, seine Farbe verblaßt. Die kunsthistorische Dokumentation in der Rotunde der Schirn zeigt, daß auch die sorgfältig gestaltete Präsentation auf das Gestern verweist, nicht auf das Heute. Die Wände sind mit rotem Samt bezogen, das Licht ist wirklich gut gemacht. Die „Austrittskarte aus der Realität“, wie die Eintrittskarte beschriftet ist, führt in ein Feld, das mit dem sehr, sehr deutschen Dada begann und dann schnell frankophon wurde. André Breton, Salvador Dalí und Co. übernahmen die Vorbereitungen von John Heartfield. Aus der morbide wirkenden, klapprigen schwarzen Puppe, der man trotz allem die Weiblichkeit deutlich ansieht und der das Eiserne Kreuz lüstern über den Hintern baumelt, die glühende hohle Birne obendrauf, das einzig Wärmende am ganzen, wurde die bebuffte weibliche Statue mit Schubladen am Bauch (ach, wie später bei den Giraffen, die er dann gemalt hatte) und das fleischfarbene Etwas, das sich lasziv am Boden räkelt, zur Projektion für alles Schöne einladend. An der Wand hängt der Wolkenkopf Magrittes, daneben träumt die weibliche Büste, einen Penis auf die Wange gemalt, zwei Sektgläser auf das Decolletée aufgesetzt. Lässig daneben die einbeinige und -brüstige Dame, an der irgendetwas nicht stimmt.
So geht das weiter, Raum um Raum, Tisch um Tisch. Die Podeste bitte nicht betreten. Der Sensenmann mittendrin. Und da drüben, schau mal, so sah das damals aus: An den Wänden zeigt man schwarz-weiße Bilder von den damaligen Ausstellungen und so. Aha. Die intellektuelle Geisterbahn, die schon im Treppenhaus am Eingang begonnen hatte, setzt sich im Innern fort. Skurilles und Verbrauchtes, Neues ist nicht darunter. Manche Besucher erkundigen sich bei der Aufsicht, ob sie hier richtig seien, ob das schon die Ausstellung sei? Also muß es Kunst sein.
Immerhin, ein ungewöhnliches Programm, lauter nicht alltägliche Gegenstände stehen hier bereit, allesamt Stücke aus der „klassischen Moderne“ (ja, Herr Hollein, der Begriff mußte jetzt kommen, gleich beim Eingang ist er zu lesen, der stammt doch von Ihnen, oder?), aber sie haben uns nichts mehr zu sagen heute, sie stoßen nichts an, mit Ausnahme des Schranks, der ganz am Ende gezeigt wird, der den Blick freigibt auf die Landschaft darinnen oder dahinter oder wo immer sie sein mag, jedenfalls da, schau doch mal, es zieht einen an, man geht darauf zu, man muß davor stehenbleiben, und für diesen Schrank oder besser gesagt: für das Bild von dem Schrank, das täuschend echte Bild, als wäre da ein Schrank in der Wand, durch den hindurch man in eine andere Welt blickt und in diese entschwinden kann, hat sich der Besuch der surrealen Show, die sich die Schirn zum 25. Geburtstag geleistet hat (ja, ja, eröffnet im selben Jahr, in dem auch der Unfall in Tschernobyl sich ereignet hatte), dann doch noch gelohnt. Aber sonst nicht. Lange betrachten wir den Fluchtwegeplan, der daneben hängt. Und von wem war der Schrank nun nochmal?
Surreale Dinge: Skulpturen und Objekte von Dalí bis Man Ray. Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main. Noch bis 29. Mai 2011.