F. K. Waechters „Zeichenkunst“ im Museum für Angewandte Kunst Frankfurt

Waechter ist für mich Titanic. Und Titanic war für mich Waechter. Er gehörte zur Neuen Frankfurter Schule, und ich erinnere mich immer noch an sein „Stilles Blatt“ inmitten der Kolumne von Walter Boehlich zu Anfang der 1990er Jahre. Umso ärgerlicher ist, daß sein Nachlaß nicht zusammen mit demjenigen von F. W. Bernstein, Robert Gernhardt, Chlodwig Poth und Hans Traxler in die Frankfurter Caricatura gegeben worden war, sondern in Hannover im Deutschen Museum für Karikatur und Zeichenkunst – Wilhelm Busch verwaltet, erschlossen und ausgestellt wird. Derzeit sind 160 Bilder und sonstige sehenswerte Stücke auf Reisen. Sie werden gerade im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst gezeigt, und ein Besuch lohnt sich.

Zu sehen sind Arbeiten von den 1960er Jahren bis kurz vor Waechters Tod, die meisten Blätter kennt man als Titanic-Leser schon, aber einige der späten Arbeiten sind bisher unveröffentlicht geblieben.

Man betritt (und verläßt) die Ausstellung im Studio des zweiten Stocks durch einen Vorhang aus dicken violetten Schnüren, der an die Perlenvorhänge erinnert, denen man früher häufiger begegnete als heutzutage.

Waechters Bilder sind in lichten Farben gehalten. Die meisten strahlen eine frohe Leichtigkeit aus, viele zeigen aber auch ernste Szenen. In Waechters Welt gibt es vor allem viel Phantasie, nicht nur in den Arbeiten für seine Kinderbücher – aber „wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein…“, trotz des scharfen Blicks auf das sonst wenig Beachtete: Ein gut gefülltes Einmachglas mit der Aufschrift „Flußpferde, 1985“. Steht ein ähnliches Glas nicht auch in meinem Küchenschrank? Und überhaupt: Wie gehen wir mit Tieren um? Waechter zeigt sie vielfach vermenschlicht, teilweise mit zeitgeschichtlichen Posen: „Wenn ihr Schiß habt vor der Freiheit, geht zurück in euren Stinkstall und lasst euch verwursten!“ ruft die Sau den feigen Artgenossen zu, deren Tür sie gerade geöffnet hat. Die Vertierung der Handelnden erlaubt einen freieren und unbefangenen Blick auf die menschliche Gesellschaft. Ein Blick, der auch auf die Sexualität fällt, die in Waechters Werk einen breiten Raum einnimmt, bis hin zur großen Phantasie in dem Blatt zum „Frauenfreigehege Dingolfing“, das einst in den 1980er Jahren als Beihefter der Titanic beilag. Diese Bilder und Karikaturen sind witzig und direkt, niemals sind sie verklemmt oder übergriffig, wir waren uns auch rückblickend einig.

Eine Auswahl von Waechters Büchern, auch zum Betrachten, rundet die Schau ab. Der „Anti-Struwwelpeter“ ist leider nur in der Vitrine zu sehen, aber Die Schöpfung kann man großformatig durchblättern: Ein wirklich wunderbares Buch, in dem ein kleiner Junge Gottes Rolle im Schöpfungsakt übernimmt, sich eine liebe Gespielin schafft und am Ende mit ihrer Hilfe und aufgrund ihrer Auskunftsfreudigkeit, die ihm alles verrät, sogar erwachsen wird. Auch diese späten farbenfrohen und weisen Blätter sind im Original zu sehen, gegenüber dem Bild vom Schnitter Tod im schwarzen Wald, dem sich Waechter am Ende sehr ernst näherte, aber erst, als er ihm wirklich nicht mehr entgehen konnte.

F. K. Waechter. Zeichenkunst. Museum für Angewandte Kunst Frankfurt. Bis 11. September 2011.

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