Kein Dementi, sie geben alles zu: Der Bundestrojaner ist ein Landestrojaner, er kommt aus Bayern, und die FDP-Bundesjustizministerin „sagte ‚totale Transparenz und Aufklärung‘ zu“. Sie kommt ebenfalls aus Bayern und hat nun Gelegenheit, ihre Partei in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. „Schlagzeile des Tages“: BKA fahndet bei Landesbehörden nach Staatstrojaner. Aber auch Brandenburg hat mitgemacht, nicht nur einmal. Währenddessen werden die Statements des Sprechers der Bundesregierung immer skurriler.
Derzeit kann man zweierlei sagen:
Wenn alle, die in dieser Affäre politische Verantwortung zu übernehmen hätten, diese auch übernehmen würden, müßte es schon nach derzeitigem Stand zu mehreren Rücktritten kommen, nicht nur in den betroffenen Ländern.
Es ist aber auch ein neues Muster im politischen Prozeß erkennbar: Früher, zu Zeiten der Bonner Republik, als Namen wie Globke, Flick oder Barschel noch einen übleren Geruch verstömten, nannte man so etwas einen „Skandal“, und der Spiegel war die journalistische Instanz, die dafür zuständig war. Der Spiegel übernahm die Recherche, die Veröffentlichung und auch die Nachberichterstattung. Alle anderen schrieben von ihm ab. Ganz anders hier: Die Trojaner-Affäre wurde über die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung lanciert (sic!), und zwar im Feuilleton (sic! sic!). Die Bürgerrechtler vom Chaos Computer Club sind Liberale, wie es sie in der FDP schon lange nicht mehr gibt, es ist eine rein bürgerliche Aktion, der wir hier beiwohnen, und die Opposition ist ganz außen vor, sie hat nichts zu alledem beigetragen, niemand vermißte oder vermißt sie, niemand hat es für nötig befunden, sie überhaupt einzuschalten. SPD, Grüne oder gar die „Linke“, die bei weitem oppositionellste der oppositionellen Parteien: Fehlanzeige. Der Spiegel macht heute mit dem Neuesten von gestern auf (Steve Jobs ist gestorben), und die FAZ gibt den Takt vor.
Die Reaktion als Skandalierer, als Aufklärer? Wohl kaum. Hier geht es für das bürgerliche Lager darum, zu retten, was noch zu retten ist. Die 20-Uhr-Tagesschau macht denn heute auch mit den Unruhen in Kairo und mit der Euro-Krise auf. Der Chaos Computer Club wird sich deshalb gut überlegen müssen, vor wessen Karren er sich dabei spannen läßt. Vielleicht aber hatte der Club gar keine andere Wahl, denn welche andere Plattform hätte denn noch zur Veröffentlichung seiner Studie zur Verfügung gestanden? Wo ist es, das kritische und publizistisch, also auch politisch wirksame Netz?
[Update: Bis 12. Oktober 2011 wurde bekannt, daß „sieben Bundesländer und das BKA … Trojaner verwendet“ haben.]
Ein Gedanke zu „Die Trojaner-Affäre [Update]“
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