Klaus Graf weist in seinem Blog auf eine Entscheidung der Wikimedia Foundation hin, die tiefgreifend in die Kompetenzen innerhalb der Wikimedia-Projekte eingreift und die dortigen Verhältnisse auf den Kopf stellt: Die Erben von Loriot haben Löschung von Briefmarken der Deutschen Post auf Wikimedia Commons verlangt, offenbar gestützt auf die überwiegende Kommentarliteratur, die Briefmarken urheberrechtlichen Schutz zuspricht, und entgegen der Rechtsprechung, die Briefmarken zuletzt in den 1980er Jahren als amtliche Werke und also als gemeinfrei angesehen hatte. Der Umgang mit den Abbildungen von Briefmarken in der deutschsprachigen Wikipedia ist daher streitig, das weitere Verfahren ist aber noch in der Diskussion. Die Wikimedia Foundation hat einen Account WMFOffice eingerichtet, der im Zuge einer „Office Action“ die Dateien auf Commons gelöscht hat. [Update 12. November 2012: Am 12. November 2012 wurden die Dateien von der Wikimedia Foundation auch in der deutschsprachigen Wikipedia gelöscht. Siehe auch die Anmerkungen von Klaus Graf auf der Mailingliste Foundation-l sowie die Diskussion auf Wikimedia Commons.]
Damit greift die Wikimedia Foundation in sehr weitgehender Weise in die Arbeit der Community ein und greift den Arbeits- und Entscheidungsprozessen der Autoren vor. Es handelt sich hier um einen ebenso schweren Eingriff in die Abläufe des Projekts wie bei der geplanten Einführung eines Bildfilters. Darin zeigt sich ein Trend, die Autoren zu bevormunden und ihnen ohne Not und ohne hierzu berechtigt zu sein die Selbstverwaltung des Projekts kalt zu entziehen. Dementsprechend fehlt es nicht an harscher und wohl berechtigter Kritik. Die direkte Einflußnahme auf die Inhalte der Wikimedia-Projekte sollte von den Autoren nicht hingenommen werden. Ich habe mich deshalb dementsprechend in der Diskussion geäußert.
[Update 12. November 2011: Dort findet sich nun auch eine nachträgliche Stellungnahme des „legal team“ der Wikimedia Foundation. Darin heißt es, man habe sich mit einer deutschen Stelle (JBB?) beraten, man habe sich dabei ausschließlich am US-amerikanischen Urheberrecht orientiert, man gehe weiterhin davon aus, daß Briefmarken nach deutschem Recht gemeinfrei seien, und der Fall habe keine Auswirkungen auf andere gleichgelagerte Fälle (andere Abbildungen von deutschen Briefmarken). Die Community wird dazu aufgefordert, das weitere Vorgehen zu diskutieren.]
[Update 19. November 2011: Am 17. November 2011 wurde bekannt, daß der Aktion eine einstweilige Vefügung vorausgegangen war, die die Tochter von Loriot als Miterbin beim Landgericht Berlin gegen die Wikimedia Foundation erwirkt hatte.]
Da nicht einmal klar ist, wer sich mit welcher Begründung beschwert hat, ist die Aufforderung an die deutsche Community schon sehr fragwürdig. Das es durchaus unterschiedliche Auffassungen geben kann, ist bekannt. Aber wenn der Foundation und dem deutschen Wikimediaverein der Wille fehlt für freie Inhalte zu streiten, ist das sowieso unnötig.
Zwischen den Zeilen kann man herauslesen, das ein untergeordnetes deutsches Gericht irgendwas entschieden hat. Ob dabei Wikipedia in irgendeiner Weise Partei war und daher zumindest theoretisch die nächste Instanz anrufen könnte und dort die Rechtsauffassung der Community verteidigen könnte oder ob sich die Klage gegen irgendeinen armen Schlucker mit seiner Fansite richtete ist natürlich auch nicht kommuniziert.
Nur soviel: Die Entscheidung, um die es geht, stammt aus den 1980er Jahren, als Briefmarken noch vom Bundespostministerium herausgegeben wurden. Man kann sich aber mit Recht fragen, weshalb sie heute nicht mehr gelten sollte.