Max Beckmann im Frankfurter Städel

Max Beckmann war unterwegs, seit er 1933 von den Nazis als Lehrer an der Frankfurter Städelschule entlassen worden war. In dieser Zeit begann er mit der Arbeit am ersten seiner Triptychen, der Abfahrt (Departure). Er ging zuerst nach Berlin, später 1937 nach Amsterdam. Nach Deutschland kehrte er nicht mehr zurück. Im Jahr 1947 konnte er gemeinsam mit seiner Frau in die USA einreisen, wo er nach reger Reisetätigkeit und mehreren Lehrverpflichtungen Ende 1949 eine Professur in New York annahm, wo er im darauffolgenden Jahr starb.

Das Städelmuseum zeigt zur Wiedereröffnung Beckmanns Spätwerk in einer Ausstellung, die in sich schlüssig ist die auch allgemein wohlwollend besprochen wurde.[1][2][3][4] Gezeigt werden 110 Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen, darunter die drei Triptychen „Die Abfahrt“, „Der Anfang“ und „Argonauten“.

Die Aussage der Bilder ist schwer zu fassen. Christliche Motive und Stoffe der antiken Mythologie vermischen sich mit lebensgeschichtlichen und gesellschaftlichen Bezügen. Beckmann malt aber keine „Geschichten“, sondern eher Stimmungen. Die „Abfahrt“ – wohin? – steht zwischen Folter, Totschlag und Fesselung. Die „Cabins“ des dahinfahrenden Schiffs sind rätselhaft dunkel, sie separieren gänzlich disparate Szenen und zeugen von der Ungewißheit und von den vielschichtigen Facetten der Überfahrt. Der „Anfang“ zeigt spielerische Szenen. Aber sein „Selbstporträt mit Zigarette“ bei der Ankunft in der Neuen Welt läßt einen angestrengt dreinblickenden Mann erkennen, selbstbewußt zwar wie früher, doch ohne Leichtigkeit, was durchaus mehr den Zeitläuften als den biographischen Umständen geschuldet sein mag. Immer wieder gewalttätige Szenen, in denen das Blutvergießen wieder auftaucht, das in der „Kreuzabnahme“ durchscheint, die den Besucher am Eingang empfängt: Blutende Stümpfe, Enthauptungen, Fesselungen und Leid werden gezeigt neben Verführung und Lust.

Ein häufiges Motiv ist der Blick aus dem Fenster – eines Hauses, eines Hotels (?) oder eines Bahnwagens – auf amerikanische Szenen: Wolkenkratzer etwa oder die 1937 erbaute Golden-Gate-Brücke in San Francisco. Dynamik scheint auf: Der unendlich und im großzügigen, weiten Bogen fließende Autoverkehr, die elektrisch erleuchteten Großbauten. Ein Dokumentarfilm zeigt in der Ausstellung zeitgenössische Szenen und stellt sie neben die Bilder. Alles in den Städten ist riesig und voller Technik, und die Menschen darinnen so klein. Auf Beckmanns Bildern dagegen stehen sie im Mittelpunkt, ganz groß, größer geht es nicht mehr. Meisterhaft verzeichnete Physiognomien. Und auch die Natur des Mississippi ist so viel größer als der winterliche Frankfurter Main, den er im Jahr 1923 malte.

Die Ausstellung endet mit einer leichten Note: Dem „Stilleben mit Saxophonen“ aus den 1920er Jahren, das zeigt, wie Beckmann sich bis zuletzt treu geblieben ist. Der Jazz taucht wieder auf, die Unterhaltungsmusik dieser Zeit, das Populäre, das originär Amerikanische, das auch einen Beitrag dazu geleistet hatte, Deutschland nach der Nazi-Barbarei wieder bewohnbarer und freier, lebendiger zu machen. Damit wird die Brücke geschlagen zur eigenen Sammlung des Städel, die die vorhergehende Entwicklung des Malers in einem Raum blitzlichtartig zeigt. Man sollte sie auf dem Rückweg unbedingt miteinbeziehen, angefangen bei einem frühen Selbstbildnis, das in keiner Weise den späteren Malstil ahnen läßt, bis hin zu dem bekannten Bild der „Synagoge in Frankfurt am Main“ von 1919.

Beckmann & Amerika. Städelmuseum Frankfurt am Main. Bis 8. Januar 2012.

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Die Rolle der Sozialen Netzwerke im Arabischen Frühling

Im Anschluß an meinen Beitrag aus dem Januar 2011 heute ein Zitat im Blog von Kim Andrew Elliott:

[S]ome 10 months later, Western circles now give little or no credit to the indigenous Arab social change mechanisms that have so far kept Arab revolutions raging for a year now. The tools Arabs used were not mainly Google, Facebook or Twitter. They were simply their own I-Revolt apps. … Friday noon prayers where hundreds, and sometimes thousands, of people customarily gather every week, have been the most shared feature of the Arab Spring uprisings. The weekly congregations were in fact the main hub for bringing protesters out to the streets – not because of their spiritual value but because of their ability to gather people with no or little extra effort. … A second ergonomic, user-friendly Arab-gadget was the good old A-4 white-paper flyer, handwritten or on rare occasions typed, designating places to assemble and protest. … Another tool I saw used to keep the fervour going was the simple word of mouth over landline telephones from mostly panicky family members reporting to their loved ones how unfit Mubarak’s brutal ways had become. You add to that mix the role played by the 24-hour pan-Arab TV news, especially from the Mubarak-bashing Aljazeera, BBC Arabic, Al-arabiya and even the U.S.-funded Al-Hurra, in spreading the word and you’ll get a realistic sense of what a limited role social media outlets had on the ground. In fact, the entire internet was made useless when Mubarak cracked down and cut off all communications – without that denting people’s ability to plan and organise one bit.

Aus: Emad Mekay. This Spring Breeze Did Not Arise in the West. In: ipsnews.net. 23. Dezember 2011. Abgerufen am 28. Dezember 2011.

Webzwonull revisited VI

Eine Momentaufnahme zu den sozialen Netzwerken: Habe heute abend mein Konto bei Identi.ca gelöscht. Die Gemeinde schwand seit längerem, und die Verfügbarkeit ist leider mangelhaft. Meine Timeline wurde immer lebloser. Das Upgrade auf StatusNet 1.0 war ein Einschnitt für die Gemeinde: XMPP fiel (vorläufig?) weg. Ganz schlechtes Weblayout. Und die Ausfälle nahmen immer mehr zu. Been there, seen that.

Früher waren alle bei Xing, dann bei Facebook, jetzt auf Twitter. Und wenn es so weitergeht, folgt Diaspora auch bald auf dem Weg, den Identi.ca eingeschlagen hat. Viele haben sich dort in den letzten Wochen mal umgeschaut und sind dann wieder gegangen, weil es anderswo so viel bunter ist als hier oder weil es hier (noch) keinen Chat gibt oder warum auch immer.

Genaugenommen ist Twitter das einzige Netzwerk, das immer noch durchläuft. Und Facebook verbleibt für die unkritische Masse, natürlich.

Google+ zeigt sich derzeit uneinheitlich: Manche sind ganz dorthin gewechselt, es gibt aber auch viele bereits wieder verwaiste Accounts, die meistens seit August/September nicht mehr genutzt worden sind.

Vielleicht könnte man auch sagen: Der Umgang mit sozialen Netzwerken ist in gewisser Weise reifer geworden. Man erwartet nicht mehr, alle am selben Ort zu erreichen, und es ist alles sehr viel ruhiger geworden, die hysterische Aufgeregtheit aus der Gründerzeit ist raus. Andererseits präsentiert sich der Netizen 2011/2012 gut bürgerlich und proper – dazu liefert Google+ die porentief reine Verpackung. Am deutlichsten erkennbar bei den Seiten „über mich“: Stolz setzt man sich hier vom Prekariat ab und zeigt, was man so alles erreicht hat, mal mehr, mal weniger locker formuliert.

Aber das ist nur so eine Momentaufnahme, andere mögen es anders sehen.

Surfen oder gesurft werden?

Das Editorial von Herbert Braun in c’t 1/2011 beschreibt die Entwicklung von Google vom Suchmaschinenbetreiber zu einem „Club“, die mit der Macht einhergeht, eine neue Art des Browserkriegs anzuzetteln: Der eigene Browser Google Chrome wird eingesetzt, um die eigenen Dienste überhaupt nutzen zu können. Der Konkurrent Opera wird konsequent ausgesperrt. Auch Firefox gehört faktisch schon Google, denn das Projekt bezieht 80% seiner Einnahmen von dort und liefert deshalb als Search-Plugin standardmäßig Google voreingestellt aus – was die meisten Benutzer nicht ändern. Microsofts Internet Explorer ist von der Entwicklung mittlerweile abgehängt, und Firefox fällt gerade zurück. Eine lohnenswerte Lektüre.

Jahresanfangstermine

Zum Jahresbeginn 2012 gibt es eine ganze Reihe interessanter Termine in Frankfurt und Umgebung, die ich gerne weitergeben möchte:

  • Am 10. Januar beginnt die Frankfurter Poetikvorlesung von Thomas Meinecke an der Goethe-Universität.
  • Am 16. Januar veranstaltet das Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität in Bad Homburg eine Podiumsdiskussion mit Constanze Kurz, Kathrin Passig, Hartmut Rosa und Spiros Simitis zum Thema „Digitales Selbst“: „Wer sind wir im digitalen Netz?“
  • Am 20. Januar wird im Frankfurter Kunstverein die Ausstellung „Demonstrationen. Vom Werden normativer Ordnungen“ eröffnet. Es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm mit Performances, Diskussionen und Vorträgen. Sie ist bis zum 25. März zu sehen.
  • Am 3. Februar eröffnet die Ausstellung „Claude Lorrain – Die verzauberte Landschaft“ (bis 6. Mai).
  • Ab dem 8. Februar zeigt die Schirn „Edvard Munch – Der moderne Blick“.
  • Zwei Tage später folgt das MMK mit einer Ausstellung mit Arbeiten, in denen sich Andy Warhol mit den Massenmedien seiner Zeit beschäftigt hatte.
  • Am 17. Februar findet im Literaturhaus Frankfurt der Literatur-Diskurs „Streitfall“ mit dem Gast Tilman Spengler statt.