Horst-Eberhard Richter ist gestorben

Vorgestern ist Horst-Eberhard Richter gestorben. Er wurde 88 Jahre alt. Ich verdanke ihm meinen Weg hin zur Psychoanalyse und zur Aufklärung, sowohl über mich selbst als auch über mitmenschliche, gesellschaftliche und politische Zusammenhänge. Die Psychoanalyse war immer positivistisch und konsequent skeptisch orientiert, und gerade deshalb wandte ich mich durch die Beschäftigung mit ihr auch ein gutes Stück von der Naturwissenschaft ab und zu den Sozial- und Geisteswissenschaften hin. In dieser Zeit erweiterte sich mein Weltbild durch eine Änderung meines Denkens, weg vom Beschreiben hin zum Verstehen und Erklären.

Richter war Citoyen, er demonstrierte in den 1980er Jahren selbst gegen den Nato-Doppelbeschluß und engagierte sich auch darüber hinaus gegen die Atomrüstung. Ich las die meisten seiner Bücher, und einige davon habe ich bis heute behalten.

Bei der Auftaktveranstaltung zum Funkkolleg Psychologie des hr diskutierte er 2009 mit großem Interesse mit Hirnforschern und die Relevanz ihrer Ergebnisse für die Psychoanalyse – ein positives Beispiel für die Offenheit, die man sich bis ins höhere Alter erhalten kann – wenn man es will. Sie kommt nicht von selbst, sondern ist das Ergebnis von Arbeit an sich selbst und mit der Gesellschaft.

Richter hat durch sein politisches Engagement deutlich gemacht, daß Psychotherapie sich nicht auf den einzelnen beschränken darf, sie muß sich konsequent auch auf die Gesellschaft beziehen, und sie muß die gesellschaftlichen Zusammenhänge mit einbeziehen. Auch sein Tod ist ein Übergang, an dem das Jahr 2011 so reich ist.

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