„Emil Nolde im Nationalsozialismus“ im Städel Museum, Frankfurt am Main

„Einlaß um 18.30 Uhr!“ – Freundliches Bitten half nichts. Die Security war vielleicht etwas genervt am ersten wirklich warmen Frühlingstag in diesem Jahr und ließ uns noch ein bißchen warten, bevor wir dann um 18.37 Uhr eintreten durften.

Das Städel Museum hatte am 20. März 2014 zu einer Diskussion über „Emil Nolde im Nationalsozialismus“ eingeladen, moderiert von Florian Schwinn (hr2-kultur; siehe auch die Sendung Der Tag vom 21. März 2014 zum gleichen Thema).

Bernhard Fulda von der Universität Cambridge erstellt zurzeit gemeinsam mit seiner Frau Aya Soika im Auftrag der Emil-Nolde-Stiftung Seebüll eine „größere Studie zu Emil Nolde und dem Nationalsozialismus“ und berichtete über den aktuellen Stand seiner Forschung. Die Briefe Emil Noldes und seiner Frau Ada, die bisher gesichtet worden seien, dokumentieren die nationalsozialistische Einstellung der Noldes, die auch durch die Zurückweisung durch das Regime unverändert geblieben war. Trotzdem wurde Nolde nach dem Krieg als Widerständler dargestellt, was völlig neben der Sache lag. Das Einkommen der Noldes bewegte sich während des Dritten Reichs durchweg auf hohem Niveau. Sie hätten ganz sicherlich „zum oberen einen Prozent der bestbezahlten Künstler“ in Deutschland gehört. Auch während des Kriegs hätten sie weiterhin hohe Miet- und Pachteinnahmen erzielt. Das nach dem Krieg so genannte „Malverbot“ habe zu keiner Zeit gegriffen. Auch nach dem Ausspruch des Berufsverbots habe er weiterhin gemalt und auch Bilder in Öl übertragen und verkauft. Seine Autobiographie habe er nachträglich frisiert, und auch die von der Nolde-Stiftung herausgegebenen Schriften wurden geschönt, um ein opportunes Bild des Künstlers erscheinen zu lassen.

In der folgenden Diskussion beschäftigten sich neben Fulda der Kurator der derzeit im Städel gezeigten Nolde-Retrospektive Felix Krämer und der Kulturredakteur Stefan Koldehoff vom Deutschlandfunk mit der Frage, wie es zu alledem kommen konnte. „Warum eigentlich dieser Nolde“ als Maler der neu gegründeten Bundesrepublik, mit dem sich bis heute auch Politiker schmücken? Der Erfolg gehe zumindest auch darauf zurück, daß seine „verträglichen Bilder“ von Blumen und Landschaften den Sehgewohnheiten des 19. Jahrhunderts entsprächen, daß sie „leicht konsumierbar“ und „wahnsinnig ästhetisch“ seien, meinte Krämer. Dem alten Mann Nolde, der 1947 achtzig Jahre alt geworden war, habe man nichts Schlechtes mehr nachsagen wollen. Hanns Theodor Flemming habe ihn, so Fulda, schon 1946 in dem Bericht über seinen „Besuch bei Nolde“ verklärt, als jemand, der in einem kleinen, abgelegenen Zimmer seine „ungemalten Bilder“ gemalt habe – verfolgt, verfemt, ein Opfer. Interessant auch Krämers Hinweis auf die bis heute kaum erfolgte Auseinandersetzung mit der NS-Kunst. Noldes Malstil sei in seiner Zeit nicht so gewagt gewesen, wie es heute erscheint. Es wäre durchaus im Rahmen des Möglichen gewesen, daß sich seine Richtung durchgesetzt hätte und heute als die präferierte Malerei der Nazis gesehen werden müßte. Letztlich, so Koldehoff, sei zu fragen, wem der Hype um Nolde nach dem Krieg genützt habe? Mythen habe es in der Kunst immer wieder gegeben. Wessen Sammlung aber habe von alledem am meisten profitiert, wer sei der größte Nutznießer gewesen, cui bono?

Obwohl vieles von dem, worum es an diesem Abend ging, schon bekannt war: Das Narrativ zu Nolde ist an einem Wendepunkt angekommen, das neue Bild, das sich abzeichnet, entsteht aber erst, es ist noch nicht vollständig entwickelt. Es wird noch mehrere Jahre dauern, bis die Korrespondenz der Noldes gesichtet und ihre Netzwerke soweit wie möglich rekonstruiert sein werden. Die Studien hierzu sind noch ziemlich am Anfang. Unter diesen Umständen war meine Kritik, die Ansätze aus den neueren Arbeiten hätten schon in der aktuellen Frankfurter Nolde-Retrospektive vorgestellt werden sollen, wohl doch verfrüht. Zuviel ist derzeit noch unfertig. Wahrscheinlich war es doch die intelligentere Lösung, das Werk Noldes möglichst vollständig und neutral zu präsentieren und die Aufklärung um die neuen Ansätze seiner Rezeption in das Begleitprogramm zu verlegen. Und dazu einzuladen, sich angesichts dessen selbst ein (neues?) Bild von Noldes Werk zu machen.

Für den 3. April wurde die nächste Veranstaltung in der Reihe des Städel Museums angekündigt. Indina Woesthoff spricht zum Thema „Emil Nolde und Die Brücke“.

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