Sich informieren V

Um eine Reihe von Beiträgen wieder aufzunehmen: Das sicherheitspolitik-blog, das am Frankfurter Lehrstuhl von Christopher Daase geschrieben wird, berichtet kompetent über jede Menge Fragen aus dem Politikfeld Internationale Beziehungen und Organisationen. Die Autoren sind Politologen des Lehrstuhls, teils Mitarbeiter der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Dort liest man unter anderem, daß Jihadisten „Kuriere mit USB-Sticks„ einsetzten, „die Daten von nicht ans Internet angeschlossenen Rechnern zu anderen nicht ans Internet angeschlossenen Rechnern transportieren.“ Soviel zum Thema Vorratsdatenspeicherung. Die Beiträge des Blogs werden auch auf dem Publikationsserver der UB Frankfurt eingestellt und sind daher z. B. über BASE zu finden.

Die Reihe wird fortgesetzt.

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Public Domain und CC-0 auf Flickr

Das Medienportal Flickr hat gestern bekanntgegeben, dass Inhalte von nun an auch als Public Domain sowie unter der Creative-Commons-Lizenz CC-0 veröffentlicht werden können. Der Dienst begründet die Erweiterung der verfügbaren freien Lizenzen mit entsprechenden Wünschen der Benutzer. Die Auslegung solcher Klauseln ist problematisch, weil der völlige Verzicht auf das Urheberrecht nach deutschem Recht grundsätzlich nicht möglich ist. Auch der Verzicht auf die aus dem Urheberrecht fließenden Vergütungsansprüche ist vorab nicht möglich. Die bisherigen CC-Lizenzen stehen weiterhin zur Verfügung.

Zuerst im Wikipedia:Kurier, 31. März 2015.

WordPress.com schaltet den klassischen Editor schrittweise ab

Vor knapp drei Wochen hatte ich über die Auskunft berichtet, die ich im englischen WordPress.com-Forum in Sachen Editor erhalten hatte. WordPress.com ersetzt peu à peu den gewohnten Richtext- und Plaintext-Editor durch eine Eigenentwicklung, die zum Bloggen vollkommen unbrauchbar ist. Damit wird genaugenommen nicht nur der Editor, sondern das gesamte Dashboard ersetzt. Die User sind von Anfang an dagegen Sturm gelaufen.

Mittlerweile kann man den neuen Editor, den es nur auf WordPress.com gibt, nicht mehr abschalten. Man kann den gewohnten Editor noch direkt aus dem Dashboard heraus aufrufen, aber alle Links aus der Oberfläche auf „Bearbeiten“ – einschließlich dem Bearbeiten-Link bei jedem einzelnen Blogpost – führen zu der neuen Oberfläche.

Das Support-Forum ist nun auch hierüber voller Beschwerden. Ein Thread zum Thema hat derzeit über 800 empörte Beiträge. In einer Petition, die seit vorgestern läuft, haben von über 1000 Teilnehmern bisher nur drei erklärt, der neue Editor sei ihnen egal, die übrigen lehnen ihn ab. Welcher der ablehnenden Optionen man zustimmt, ist letztlich nur noch eine Frage des Temperaments.

Das Problem erinnert an den Versuch der Wikimedia Foundation, vor etwa zwei Jahren bei Wikipedia einen „Visual Editor“ einzuführen. Damit konnte man nicht arbeiten, und es gab in den großen Sprachversionen Abstimmungen mit historisch hoher Beteiligung innerhalb kürzester Zeit, die das Vorhaben verhinderten – hier nachzuverfolgen in der deutschsprachigen Wikipedia. Nur die Allertreuesten der Treuen – über ihre Motive mag man sich wundern – stellten sich damals noch auf die Seite der Foundation und unterstützten das. Man mußte das Debakel schließlich eingestehen und die Einführung absagen. Jedoch nicht für immer – der Visual Editor wurde weiterentwickelt. Er soll demnächst in einer verbesserten Version endgültig standardmäßig eingeführt werden. Allerdings soll er abschaltbar bleiben. Soll.

Wahrscheinlich empfiehlt es sich, das Blog zu verlegen, solange man noch die alten Beiträge aus WordPress.com exportieren kann.

Die Schrift wird zum Leben II

Der Perlentaucher verlinkte gestern einen Text von Arno Widmann über Heinrich von Kleists „Berliner Abendblätter, 1810–11“. Widmann schreibt: „Wer heute auf die ‚Berliner Abendblätter‘ zurückschaut, der sieht, dass sie ein Blog waren – vor der Erfindung, ja vor der Möglichkeit des Blogs. Kleist war freilich klug genug zu wissen, dass sein Blog nur erfolgreich sein konnte, wenn er ihn öffnete für Trivialitäten. Er wusste, dass nicht alles zu einem Artikel geformt werden muss. Die bloße Aufzählung von Ereignissen, der wortgetreue Abdruck eines Verhörs beflügelt die Fantasie eines Lesers manchmal mächtiger als die flammendste Rede. Kleist hat in den Berliner Abendblättern erbarmungslos nachgedruckt aus anderen Zeitungen, er hat jeden Tag eine kleine Welt zusammengestellt aus den Welten, die ihm zugänglich waren. Das reizte ihn, das machte ihm Spaß.“ Wie uns ja auch, deshalb dies lange Zitat. Auch Kleist, also, ein Blogger. Natürlich. Widmann findet ein Faksimile auf archive.org – man wähle PDF, die EPUB-Version läßt sich mit Calibre nicht öffnen.

Zuerst bei albatros | texte, 28. März 2015.

Kontrollverlust

In meinem Feedreader und in meinen Newslettern gibt es derzeit eine aufschlußreiche Diskussion um die Frage, ob die Presse den Namen des Copiloten nennen dürfe, der das Flugzeug steuerte, das vergangene Woche mit 150 Personen in Südfrankreich abgestürzt war.

Durch die Rolle, die der Pilot während dieser Ereignisse spielte, ist er zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden, über die grundsätzlich berichtet werden darf. Demnach wäre auch die Nennung seines vollständigen Namens zulässig. Dafür würde auch die Größenordnung der Tat und die Schwere der Schuld sprechen – wenn die Schlußfolgerung stimmen würde, wonach es sich dabei um einen sogenannten erweiterten Suizid gehandelt haben soll.

Problematisch bei der Berichterstattung ist aber, daß alle Zweifel am Ablauf der Ereignisse ausgeblendet werden. Eine Indizienkette wurde gezeichnet, letztlich verursacht von Andreas L.

Und wenn es nicht so gewesen wäre? Wenn es noch andere Gründe gegeben hätte, die zumindest derzeit nicht erkennbar sind? Wenn es nur eine Vorverurteilung wäre, wenn sich herausstellen sollte, daß die Schuld nicht bei Andreas L. gelegen hätte? Was wäre dann?

Die bisherigen Äußerungen aus den großen Zeitungsredaktionen – zusammengestellt und entsprechend gewürzt etwa bei MEEDIA – weisen eher auf einen Ausfall selbstkritischer Erwägungen hin. Nachrichten sind eben ein Geschäft, es geht um Auflagen und um Klicks auf die Online-Ausgaben der Zeitungen. Und auch die sozialen Netzwerke haben erneut den Kontrollverlust im Web 2.0 demonstriert. Auch dort besteht ein Interesse daran, daß Geld hereinkommt, sonst gäbe es diese Bühnen nicht.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht läuft zunehmend faktisch leer. Wer ergreift das Wort für einen vermeintlichen Täter? Wer erwägt dessen Interesse angesichts von Sonderseiten und Sondersendungen, wenn sich alle anderen so sicher sind?

Nachtrag: Ein Gespräch mit dem Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen auf Phoenix, 27. März 2015:

„Monet und die Geburt des Impressionismus“ im Städel Museum Frankfurt am Main

Es hat ein bißchen gedauert, bis ich mich wieder dem Kunst- und Kulturbetrieb zugewandt habe. Ich war schon ganz lange nicht mehr als embedded blogger zugange, und ich habe mich auch sonst ziemlich von den organisierten Spektakeln ferngehalten. Aus Gründen. Auch die 200. Geburtstagsfeier des Frankfurter Städels habe ich distanziert beobachtet – über die Pressemaschine, natürlich, die seit Monaten schon auf vollen Touren läuft. Monet und Umfeld also, ungefähr hundert Bilder sollen es sein.

Zwar konnten wir die Touristen nicht ganz vermeiden, aber wir hatten wohl doch einen vergleichsweise günstigen Moment erwischt, an einem Nachmittag so gegen drei. Die Busse parkten um die Ecke, und die Schlange vor den Kassenhäuschen vor dem Haus war nicht allzu lang. Es waren sogar noch ein paar Schließfächer frei. Im Innern aber zogen während unseres Besuchs gleich vier Führungen an uns vorüber – oder waren es fünf? Kunst im D-Zug-Tempo, dort hinten hängen noch mehr Bilder, und die nächste Führung kommt gleich hinterher. Handys klingeln, es gibt wenig Platz, und die Klimaanlage hat sich sehr bemüht. Am Ende kamen sich zwei Führungen in die Quere, und es wurde wirklich eng. Das ruhigere Zeitfenster, das schon Isa Bickmann in Faust-Kultur empfohlen hatte, tat sich dann so gegen halb sechs auf, kurz bevor auch wir gingen. Am Museums-Shop vorbei, übrigens, der diesmal strategisch mitten im Haus plaziert ist, unmittelbar am Eingang zur Ausstellung. Man soll ihn nicht verfehlen.

Die Geschichte des Impressionismus wird chronologisch anhand von Hauptwerken Monets und weiterer Künstler erzählt. Die ganze Dramaturgie ist auf die beiden „Mittagessen“ von 1868/69 und 1873 ausgelegt, die zentral in der Mitte des Verlaufs stehen. Der erste Teil der Schau endet mit dem monumentalen Werk aus der Sammlung des Städel, der zweite Teil beginnt mit der Leihgabe aus dem Musée d’Orsay. Und auch „La Grenouillère“ und der „Boulevard des Capucines“ sind zu sehen. Eine Welt voller Sonne, voller Licht und Leichtigkeit, eine Welt des Morgens und des Mittags. Harte Schatten. Regen nur als Schauer. Aus dem Spätwerk, in dem sich die Konturen auflösen und die Farben pastellig zerfließen, viermal die Kathedrale von Rouen, zwei Londoner Brücken und die auf den Expressionismus weisende Darstellung der „Japanischen Brücke“. Das ist ein geballtes Programm an Kunstgeschichte. Was fehlt, sind die späten Seerosenbilder, aber davon war ja eines, das letzte, vor zwei Jahren in der Schirn zu sehen.

Man sollte die kleinen Nebenräume beachten, wo zeitgenössische Photographien gezeigt werden, die von der Malerei beeinflußt wurden und die – umgekehrt – wiederum auf die Malerei gewirkt hatten. Außerdem werden dort Karikaturen gezeigt. Wahre Preziosen sind darunter. Die Journale stammen aus dem Bestand der Frankfurter UB, sie sind wunderbar erhalten und lichttechnisch in Szene gesetzt. Es scheint, als habe ich ein paar Jahre im falschen Lesesaal gesessen.

Vernachlässigt wird leider das gesellschaftliche Umfeld der künstlerischen Produktion, denn die Jahre nach 1848 bis 1880 waren natürlich eine bewegte Zeit, die von den romantisierenden Darstellungen der Impressionisten geflissentlich geschönt worden waren. Die aufkommende soziale Frage findet in dieser Ausstellung nicht statt. Nur in einem Wandtext wird darauf hingewiesen, die Tuilerien würden unbeschädigt gezeigt, trotz des Brands von 1871. Die „krisenhafte Zeit“, von der Felix Krämer im Ausstellungsfilm spricht, wird in der Ausstellung zu wenig gewürdigt. Ist diese Malerei ein Beispiel für Eskapismus oder ist es im Gegenteil ein trotziger Gegenentwurf zu den Zeitläuften?

Aus Anlaß der Ausstellung wurden fünfzehn Bilder von Restauratoren einer aufwendigen Untersuchung unterzogen, deren Ergebnisse teilweise auf der Website des Museums zu sehen sind.

Die Kunstvermittlung wird derzeit beim Städel online stark ausgebaut, so entschieden wie bei keinem anderen europäischen Museum, meinte die Zeit. Es gibt sie noch: Den Katalog, das Begleitheft und die Wandtexte, auch die Führung und den Audioguide und das Städel-Blog, aber das „Digitorial“ und die aufwendig gestaltete Digitale Sammlung sind hinzugekommen. Außerdem gibt es eine käufliche App für Android und iOS. Ein „edukatives Computerspiel für Kinder“ und ein „Online-Kunstgeschichtskurs“ kommen bald hinzu, las man bei den Blättern der Ulmer Südwest Presse. Der Bildungsauftrag wird offenbar ernst genommen. Man überläßt die Präsentation der eigenen Bestände nicht, wie gerade eben das Wuppertaler von der Heydt-Museum zur dortigen Pissarro-Ausstellung, den Amateuren von Wikipedia, sondern behält alles selbst in der Hand. QR-Codes werden sparsam bei den Bildtexten eingesetzt. Und das freie WLAN hat an dem Nachmittag offenbar kein Besucher benötigt. Es waren schon genug Bilder an den Wänden. Demgegenüber ist die Überblicksführung nicht mehr im Eintrittspreis enthalten, sie kostet fünf Euro extra und findet mit Headset und Kopfhörern nur für die zahlende Kundschaft statt. Für alle anderen gibt es ja das Internet. Bring your own device.

Insgesamt aber ist auch das Material, das man auf diese Weise angeboten bekommt, so reich, daß das Feuilleton endgültig zurücktritt. Auch das ein Übergang. Ein Blick in die Pressedatenbank zeigt, daß die Zeitungen diesmal tatsächlich nichts Substantielles mehr beizutragen hatten, was man noch in die Ausstellung hätte mitnehmen können. So werden auch die infolge der geschrumpften Redaktionen überforderten Journalisten – mit sehr wenigen Ausnahmen – immer mehr zu bloßen Transmissionsriemen der PR-Abteilung des Museums. Ich denke, ich tue gut daran, den Abstand zu dieser Pressemaschine weiter zu pflegen.

Monet und die Geburt des Impressionismus. Bis 28. Juni 2015 im Städel Museum, Frankfurt am Main. Kurator: Felix Krämer. Katalog in der Ausstellung: 39,90 Euro.