So, das haben wir nun davon. Der Perlentaucher hat die große Debatte über das Schwinden der Literaturkritik, die er vor einem Jahr losgetreten und dann über Sommer strategisch weiter am Köcheln gehalten hatte (man weiß gar nicht mehr, worauf man da noch verlinken sollte), nun also zum Anlaß genommen, ein neues Blog aus der Taufe zu heben.
Was war da alles zu lesen und zu hören: Ein neues Literaturmagazin stehe bevor (Gerd Brendel himself aka Cindy aus dem Küchenradio berichtete damals). Und jetzt ist der Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet: Ein „literarisches Metablog“ ist dabei herausgekommen, liest man heute im Redaktionsblog Im Ententeich. Es heißt lit21.de.
Also, erstmal, liebe Perlentaucher: Sowas nennt man Blogplanet. Und das ist ein Fachbegriff aus der Netzkultur und aus der IT, der auch dem durchschnittlich 60-jährigen Perlentaucher-Leser durchaus zu vermitteln sein dürfte, wenn er es denn schon zu den Blogs und sowas wie dem Perlentaucher hin geschafft hat. Aber solche verquasten und gewundenen Umschreibungen wie „bündelt den Feed von literarisch relevanten Blogs, Zeitungsadressen und anderen Quellen deutscher Sprache“, „ist also eine Art öffentlicher RSS-Reader, ein Feed-Aggregator“, „den man etwa in Feedly und anderen Readern abonnieren kann“ – das liest sich wie Web 2.0 für digitale Analphabeten. Wer nicht weiß, was ein Blogplanet ist, der kann auch mit „Feeds“ nichts anfangen, „RSS-Feeds“ gar.
Und der „konzentrierte Neuigkeitentenstrom“, der sich aus dem Planeten ins Web zurück ergießt, „in … netzfeindliche Kultursphären, in denen sich Literaturblogger und Online-Journalisten hierzulande noch bewegen“ – man denke: „auf die Idee haben uns die Autorenblogs einiger Verlage – etwa Hundertvierzehn.de – aber auch Literaturblogs von Autoren und Kritikern und Websites von Radiosendern gebracht“ – ist nun also eine Mischung aus Kommerz und Kommerz geworden. Wenn ich es richtig sehe, finanzieren sich doch alle Quellen, die bei lit21.de einfließen, aus irgendeinem Werbe-Tracking-wasweißich-Dienst.
Was mich zu dem traurigen Zustand führt, in dem sich die literarische Blogosphäre insgesamt befindet. Die idealistischen Kulturblogger, die schon ganz lange dabei sind, werden auch hier bei lit21 natürlich nicht transportiert, sondern nur wer „Reichweite“ hat, und „Reichweite“ und Blog, es tut mir leid, sind ein Widerspruch in sich. Wer Massenmedium spielen möchte, möge das tun – mit den bekannten Begleiterscheinungen dann eben. Es muß ein medialies Umfeld bereitet werden, das der Werbekunde goutiert. Und dann sind wir sofort bei dem süßen Feuilleton-Brei, der sich aus solchen Outlets gemeinhin verströmt, von dem allerdings auch der Perlentaucher schon ne ganze Weile lang immer gut gelebt hat. Wie die Verlage diese „Blogger“ hofieren, haben wir ja gerade erst mal wieder gesehen. Auf weiterhin gute Zusammenarbeit. Was gibt es in solchen Quellen, bitte schön, an „literarisch interessanten neuen Inhalten“ zu entdecken? Weshalb, bitte, wird den Werbe-Abteilungen der großen Verlage hier eine weitere Plattform geboten? Und was haben die Zeitungen in so einem Projekt verloren? Für die gibt es doch schon den Perlentaucher selbst.
Und warum rante ich das eigentlich hier und nicht dort? Ganz einfach: Weil der Perlentaucher in seinem Hausblog noch nicht einmal die Kommentare mehr selbst verwaltet, sondern an Disqus outgesourct hat. So bitte nicht, die brauchen mich nicht online zu tracken, ich weiß schon selbst, wo ich bin und wofür ich stehe, und ich sehe in diesem Blogplaneten eher eine große Enttäuschung für die literarisch engagierte Netzgemeinde.