Missbrauch von Wikipedia durch Werbung und PR

Angesichts der Veröffentlichung des 6-millionsten Artikels vergangene Woche in der englischsprachigen Wikipedia hat die Community-Zeitungsseite „Wikipedia Signpost“ ein Moratorium bei der Veröffentlichung von Unternehmensartikeln gefordert. Das sei kein Vorwurf gegen die Wikimedia Foundation, aber die derzeitigen Maßnahmen, um die Enzyklopädie gegen missbräuchliches undeklariertes Paid Editing zu schützen, funktionierten ganz klar nicht. „Da die ehrenamtlichen Autoren derzeit von Werbung in Gestalt von Wikipedia-Artikeln überwältigt werden, und da die WMF nicht in der Lage zu sein scheint, dem irgendetwas entgegenzusetzen, wäre der einzige gangbare Weg für die Autoren, fürs erste die Neuanlage von Artikeln über Unternehmen zu untersagen“, schreibt der Benutzer Smallbones in seinem Editorial zur heutigen Ausgabe.

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E-Book schlägt Book-Book

Im Börsenblatt lesen wir, „das gedruckte Buch [habe] seine führende Rolle bei der Wissensvermittlung verloren“. Das meinen zumindest die Betreiber der Buchhandlung Unibuch Lüneburg, die bis Ende 2019 auf dem Gelände der dortigen Leuphana Universität auf einer Fläche von etwa 100 Quadratmeter betrieben wurde. Der bisherige Mit-Inhaber Dietrich zu Klampen führt das Scheitern des Geschäfts auf die Bolognareform (sic) und auf das Angebot an E-Books der Universitätsbibliothek zurück. Die Studenten zögen das E-Book dem gedruckten Buch vor. Das deckt sich nicht so ganz mit meinen Beobachtungen in den Lesesälen, denn da wird immer noch fleißig Papier geblättert, vielerorts gibts auch eine Semesterausleihe parallel zu Digital, aber das mag vom Fach und vom Standort abhängig sein, und es sagt ja auch nichts über das Kaufverhalten der Benutzer aus.

Christiane Attig über die Psychologie von Podcastern

Der Chaos Communication Congress ging dieses Jahr weitgehend an mir vorbei. Ich werde mich erst mit deutlichem Abstand mal in der Mediathek des CCC umschauen, wenn es sich zeitlich anbietet.

Ein Beitrag hat mich aber über den Deutschlandfunk schon jetzt erreicht: Es gibt eine neue Studie über die Motive, die Einstellungen und die Charaktereigenschaften von Podcastern. Christiane Attig von der TU Chemnitz hat sie auf dem 36C3 vorgestellt.

Christiane Attig hat eine ungewöhnlich große Stichprobe von 653 Teilnehmern erfasst – gibt es wirklich so viele Podcaster? –, sie hat ihnen einen Bogen geschickt, der im Kern die Big Five abfragen sollte, und die meisten der Antworten, die dabei gegeben wurden, hat sie ausgewertet. Die geschlossenen Fragen liegen schon in Zahlen vor, die Freitextantworten folgen noch.

Ein paar Zahlen: Drei Viertel der Teilnehmer an der Studie waren männlich. Zwei Drittel hatten einen Hochschulabschluss, etwa ebenso viele kamen aus einer Großstadt oder aus einer Metropole. Politisch verorteten sich die Teilnehmer ziemlich deutlich links, jedenfalls „linker“ als der Durchschnitt der Bevölkerung. Der Altersdurchschnitt lag bei 38 Jahren, die Lebenszufriedenheit war gut, und alle erreichten überdurchschnittliche Werte in Bezug auf die Eigenschaften Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit, Extraversion, emotionale Ausgeglichenheit, Technikaffinität und Kommunikationsoffenheit. Alle waren deutlich offener für neue Erfahrungen und sehr denkfreudig (need for cognition). Die Motivation zum Podcasten war in den meisten Fällen intrinsisch, es macht Spaß, man möchte Wissen vermitteln und dabei selbst auch technisch kompetenter werden. Dass man damit eine Community aufbaut, aus der auch Rückmeldungen kommen, wird erst im Laufe der Zeit wichtiger. Die Podcasterinnen waren deutlich weniger technikorientiert als die Männer, und für sie war der Wunsch nach Monetarisierung sehr viel stärker ausgeprägt – wobei 77 Prozent aller Podcasts nicht monetarisiert werden.

Ein interessanter Vortrag. Es ist ein bedeutsamer Beitrag zum Verständnis des heutigen Social Webs. Ich hätte ihn gerne hier aus der Mediathek des CCC eingebunden, was aber aus Gründen, die ich nicht nachvollziehen kann, von wordpress.com verhindert wird.