Archiv der Kategorie: Freie Software

Rückblicke

Heute ist es zehn Jahre her, dass der erste Blogpost bei TeX & Friends erschien. Damals gab es eine Inhaltsangabe der letzten Ausgabe der TeXnischen Komödie, aber auch schon ein Blick auf das TeX-affine Umfeld in Form von Erweiterungen, die es damals für OpenOffice.org gab. Übrig geblieben ist davon mittlerweile nur noch Writer2LaTeX, das es mittlerweile in Version 1.9.3 alpha gibt.

TeX & Friends war formal mein erstes Blog – wobei ich ja immer die Ansicht vertreten habe, dass das Blog nur eine Spielart des Schreibens in Datennetzen ist. Das Usenet und die Mailinglisten gingen ihm voraus, und wie bei jedem Medienwandel ersetzen neue Medien die alten nicht, sondern ergänzen sie. Die schneeschmelze folgte im Januar 2009, der albatros genau vier Jahre später, aber so richtig erst seit 2015.

Blogs sind Zeugnisse von Übergängen – gesellschaftliche ebenso wie persönliche. Man beginnt ein Blog, man führt es, es entwickelt sich, was die Frequenz und die Inhalte angeht, man schreibt mal mehr, mal weniger, vielleicht schreibt man eines Tages gar nichts mehr oder nimmt das Blog ganz vom Netz. Bekanntschaften entstehen, Blog-Nachbarschaften auch, und lösen sich wieder. Das Netz folgt den Regeln der bürgerlichen Gesellschaft, die „kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übrig gelassen [hat], als das nackte Interesse, als die gefühllose ‚baare Zahlung.‘“ Und das freie Netz, das es vor zehn Jahren durchaus noch gab, gibt es nicht mehr. Die Folge: Immer mehr ziehen sich in virtuelle Hinterzimmer zurück, in ein digitales Biedermeier von geschlossenen Gruppen, geschlossenen Mailinglisten, geschlossen halt. Immer mehr verschließen sich, der Diskurs im Netz, von dem ich einmal ein Teil war, löst sich auf und verschiebt sich in private E-Mail-Verteiler, wo man weiß, an wen man sich wendet. Die Sklavensprache nach außen, die vertraulichen Verteiler als engstes Band nach innen. Und der Ekel vor dem Netz, den Günter Hack im Dezember 2013 ausgemacht hatte, legt sich über all das und bedingt es.

Ich glaube, ich gehöre zu denen, die sich mittlerweile doch wenigstens ein bisschen ausgebloggt und auskommentiert haben. Man ist müde geworden, die 15 minutes of world-fame kennt man schon, und ich wundere mich über die Kolleginnen und Kollegen, denen ich schon so lange folge und die es immer noch schaffen, regelmäßig etwas zu veröffentlichen und immer so weiter zu machen wie früher, und wenn man ihre Blogs mitliest, meint man tatsächlich, es wäre alles noch wie damals, oder jedenfalls ganz ähnlich. Wie wenn da einer… Chapeau! Ich meine das sehr ernst, und etwas depressiv gestimmt, durchaus.

Simone Stratil hat ihr Blog Papiergeflüster im Oktober geschlossen. Ein Jahr, nachdem sie bereits an ihrer Rolle gezweifelt hatte. Zu dieser Buchmesse war es soweit. I bid you farewell.

Bei Robert Basics plötzlichem Tod Anfang November 2018 war dieser stille Punkt zu fühlen, als die Gemeinde, die man in dem Moment zu Recht auch so nennen sollte, Rückschau hielt auf den gemeinsamen Weg, die Richtung unbekannt, und, wenn man es genau nimmt, schon so viele sind zumindest aus dem Blickfeld verschwunden. Die Zeit ist lang geworden. Das „Berliner Buch“ Zero Comments von Geert Lovink datiert von 2008, es ist so alt wie TeX & Friends. Ich stieg also ein, als es schon zuende ging. Pardauz.

Zum Schluss noch ein paar TeX-Neuigkeiten: Die LaTeX News 29 beschreiben den Dezember-2018-Release von LaTeX2e. Und LyX 2.2.3 ist heute veröffentlicht worden.

Zeit für ein Update.

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Keine Zotero-Erweiterung mehr für Safari 12

Eine Woche vor dem Release von macOS Mojave hat Apple schon heute mehrere Updates für Sierra und High Sierra veröffentlicht, darunter auch den neuen Safari 12.

Da Apple sein Ökosystem immer mehr schließt, müssen nun alle Erweiterungen für Safari durch die AppStore bezogen werden. Frei verteilte Versionen von Safari-Erweiterungen mit der Dateiendung .safariextz funktionieren nicht mehr, sie werden beim ersten Start von Safari 12 deaktiviert und gelöscht.

Das betrifft einige weit verbreiteter Erweiterungen, in meinem Fall vor allem den Werbeblocker uBlock Origin und den Connector zu der Literaturverwaltung Zotero.

Im Zotero-Forum wird darüber schon seit Juni diskutiert, und die Entwickler haben sich dafür entschieden, das Bookmarklet zu überarbeiten, mit dem man aus Safari in die lokale Zotero-App speichern kann. Beim nächsten Synchronisieren wandern die neu erstellten Einträge dann in die ggf. angebundene Cloud. Eine Zotero-Erweiterung für die AppStore soll es aber nicht mehr geben.

Wer also weiter mit Safari und Zotero arbeiten will, bleibt nur der Workaround über das Bookmarklet. Der weitere Betrieb von Safari 11 unter Sierra und High Sierra ist möglich, aber aus Sicherheitsgründen nicht zu empfehlen. Wer flexibler ist, kann stattdessen den Webbrowser wechseln und Firefox oder Google Chrome einsetzen, denn deren Zotero-Erweiterungen funktionieren natürlich weiterhin klaglos.

TeX lebt im Bibliothekswesen

Dear TeXers,

Summer with its conferences is upon us. I am writing this text after a full day at the Joint Conference on Digital Libraries at Fort Worth, TX. As befits JCDL, at registration we were given the proceedings volume in digital form. By the way, I’ve run pdfinfo on the files and found out that of 102 papers presented there, 68 were typeset in TeX. I think the rumors of the imminent demise of TeX in the academic world are somewhat exaggerated. […]

Boris Veytsman, TeX Announce Mailing List, 7. Juni 2018.

Nachdenken über Literaturverwaltungen

Zwei aktuelle Diskussionen zum Thema Literaturverwaltung:

(1) In der c’t 1/2016, S. 158–161 empfahlen Peter Schüler und Herbert Braun BibTeX als Datenbankformat für Microsoft-Word-Nutzer. (sic!) Neben dem Import von Daten aus verschiedenen Online-Datenbanken (vgl. meinen Beitrag in der DTK 4/2006) sowie JabRef als BibTeX-Editor wurde das Makro BibTeX4Word empfohlen, um die Daten in der Textverarbeitung zu benutzen. Die engagierten Kommentare auf der Projektseite sprechen für sich: Es hat sich etwas getan in Sachen Literaturverwaltung. Der Platzhirsch Citavi hat mit Campuslizenzen den Markt erobern können, weil die Plattformunabhängigkeit von Anwendungen an deutschen Hochschulen keine Rolle spielt. So gab man vor ein paar Jahren sang- und klanglos die Pläne auf, eine Version für den Mac bereitzustellen. Die nahtlose Integration in Winword war wichtiger. Wer außer seiner Textverarbeitung keine andere Software zum Schreiben kennengelernt hat und Citavi geschenkt bekommt, ist in der Regel für andere Lösungen nicht mehr zu begeistern.

(2) Das zeigt auch der Erfahrungsaustausch zwischen zwei den Bibliothekaren auf infobib.de: Zotero ist bei den meisten Benutzern außen vor. Auch der Einwand von Klaus Graf, nur Cloudlösungen, die gemeinsam genutzt werden können, seien „zukunftsfähig“, geht fehl, denn nirgends ist man als Autor bekanntlich einsamer als im Studium. Es gibt nur eine Steigerung dazu: Die Promotion, in ihrer juristischen Spielart. Nicht erwähnt wird dort BibSonomy, das ebenfalls vorzüglich mit LaTeX umgehen kann. Ich verwende den Dienst seit vielen Jahren und möchte ihn nicht mehr missen. Aber auch hier punktet die Cloud in der Regel nicht, sie wirft für die meisten Benutzer mehr Fragen auf als daß sie die Neugier weckt. Für Citavi spricht vor allem die Usability. Und wem die bei Word schon nicht gefallen hat, der wird sie bei Citavi nicht vermissen und lieber eine vernünftige Lösung auf der Grundlage von BibTeX und LaTeX wählen.

Natürlich habe ich auch Erfahrungen zu dem Thema beizusteuern: In einem LaTeX-Kurs, den ich im Dezember hielt, waren insbesondere die Mathematikstudenten an Literaturverwaltungen überhaupt nicht interessiert. „Die fünf Quellen zu meiner Arbeit kann ich auch noch händisch aufzählen.“ Literatur in einer Literaturverwaltung sammeln, Notizen hinzufügen, ein vollständig digitaler Workflow? Nein, eher nicht. Bei Psychologen und Sozialwissenschaftlern und den Juristenkollegen sah es anders aus. Sie freuten sich über Biblatex und Biber.

JabRef 3, Literaturverwaltungen im Vergleich, Zotero 4.0.27

Auf der JabRef-Users-Mailingliste hat Oliver Kopp angekündigt, daß JabRef demnächst aktualisiert werden soll. JabRef 3 werde im Rahmen eines Studienprojekts an der Universität Stuttgart im Wintersemester 2015/2016 und im Sommersemester 2016 auf den Stand von JavaFX und Java 8 gebracht. Jetzt würden noch „Customers“ und „Supervisors“ gesucht. Erstere als Tester.

Gleichzeitig hat Dorothea Lemke von der TU München auf der Mailingliste InetBib den alljährlichen Update der Übersicht über die aktuellen Versionen der Literaturverwaltungsprogramme für Bibliothekare und Benutzer angezeigt. Die in drei Sprachen verfügbare Übersicht vergleicht die Features von Citavi, Colwiz, Docear, EndNote, JabRef, Mendeley, RefWorks und Zotero.

Von Zotero gibt es seit gestern die neue Version 4.0.27 mit einigen Änderungen im Interface. In der klassischen Firefox-Version wurde das Speichern von Websites vereinfacht. Außerdem kann man nun die Ausgabe-Sprache der Bibliographie in den Einstellungen zentral auswählen – wenn der Zitierstil das unterstützt. Ein schneller Test mit meinen Zitierstilen zeigte, daß die an die deutsche Sprache angepaßten Stile derzeit noch den per Umschalter auf Deutsch lokalisierten Standardstilen überlegen sind, aber das kann sich ja demnächst – zumindest bei den wichtigsten von ihnen – noch ändern. Schade, daß die Standalone-Version auf dem Mac die üblichen Tastaturkürzel und die Menüaufteilung (nicht mehr?) unterstützt. Das Update steht über die Aktualisierung des Plugins bzw. der Standalone-Version zur Installation bereit.

Mein schrittweiser Abschied von WordPress.com

Ein ostersonntäglicher Blick in den Feedreader: Joachim Bauer sagt in einem Interview, das der Deutschlandfunk heute morgen gesendet hatte, wer sich im Leben an längerfristigen Zielen orientiert, sei gesünder und werde leichter wieder gesund. Er redet der Compliance das Wort, aber auch den Selbstheilungskräften. Die „Selbststeuerung“ des Patienten sei zu stärken. Es komme für den Behandlungserfolg sehr viel stärker als bisher angenommen auf ein gutes Arzt-Patient-Verhältnis an. Im Hintergrund steht das Verständnis von Gesundheit und Krankheit als Kontinuum, das mal mehr zur einen, mal mehr zur anderen Seite hin ausschlägt, aber nie vollständig auf einer Seite steht.

Ich bringe das auch in Verbindung mit meinen Online-Gewohnheiten und denke an die bewußte Auswahl der Tools und Plattformen, die ich nutze, denn diese ist stets langfristig angelegt. Aber da ist Evgeny Morozov bei Futurezone anderer Ansicht: Wer meine, auf Google verzichten zu können, rede „Blödsinn“, sagt er. Die Meinung beruhe „auf der religiösen, protestantischen Annahme, dass wir uns alle ethisch zu verhalten haben. Das führt zu einer sehr eingeschränkten Vorstellung davon, was Macht ist. Wenn ich meine Zeit effizient nutzen, meine Arbeit erledigen und nicht als Idiot oder technikfeindlicher Freak gelten will, gibt es keine Alternative zu Google. Der Zeitdruck wird vom ökonomischen und sozialen System ausgeübt. Menschen, die mehrere Jobs brauchen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, werden nicht plötzlich Geld für minderwertige Technik ausgeben wollen, weil das aus ethischer Sicht Sinn macht.“

Der Gedanke geht ziemlich durcheinander. Schon der Ausgangspunkt, der die Auswahl von Tools in die protestantische Ethik einordnet, stimmt gar nicht. Es ist eher eine Frage der Achtsamkeit sowie der Selbstwirksamkeit. Beides kann zufriedener und damit auch in dem eingangs angesprochenen Sinne gesünder machen. Es ist auch nicht richtig, daß Alternativen zu Google eine „minderwertige Technik“ böten. Im Gegenteil habe ich über MetaGer viele Inhalte erst gefunden, die mir Google – „dank“ Filterbubble? – gar nicht mehr angezeigt hatte. Das gilt insbesondere für Themen aus dem Gesundheitswesen, aber auch für Nachrichten. Insoweit war das Googlen mit Google also sowohl ineffizient als auch nicht datensparsam und hat mir somit klar geschadet.

Auch die Auswahl der Bloggerplattform gehört übrigens in diesen Zusammenhang: WordPress.com oder Antville? Wenn man die jüngsten Eskapaden und die offizielle Reaktion der Mitarbeiterin, die bei Automattic als „Happiness Engineer“ tätig ist, angesichts von gut 3000 öffentlichen Petenten innerhalb weniger Tage sieht: Im Zweifel blogge ich lieber bei Antville.

Ich nehme die Vorgänge um den Post Editor bei WordPress.com zum Anlaß, mich von dort zu verabschieden und meine schneeschmelze nur noch zum Dokumentieren ausgewählter Beiträge zu verwenden, wie schon zu Anfang. Mein laufendes Blog wird albatros.antville.org (RSS) sein. Damit greife ich eine Linie auf, die ich im Januar 2013 begonnen hatte. Dies auch als ein Zeichen dafür, daß die Selbstfindung und -vergewisserung, der die schneeschmelze gedient hat, in eine neue Phase übergeht.

Übrigens wurden sowohl Antville als auch MetaGer gerade einem Update unterzogen. Es ist schön, daß beide Plattformen gemeinnützig und aktiv weiterentwickelt werden und daß man hier noch direkten Kontakt zu den Entwicklern hat. Bei MetaGer wurde so im Laufe des letzten Jahres unter anderem eine Wiki- und eine Blog-Suche integriert. Auch eine eigene Nachrichtensuche gibt es wieder.

Zuerst auf albatros | texte, 5. April 2015.