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Reinigende Regennacht

Jemand hat die Fenster aufgemacht und die Türen.
Durchzug: Die Welt wird durchlüftet.
Und Regen fällt, viel Regen.
Nach einer Pause: noch mehr Regen.
Als wäre da eine Welt-Waschanlage.
Mitten in der Nacht: Gewitter im Sommer.
Ich sitze am Schreibtisch,
das Radio läuft (Mozart),
und es blitzt und donnert draußen.
Seit zwei Stunden schon.
Meinetwegen könnte sie ewig dauern,
die reinigende Regennacht.

Bearbeitete Notiz vom 9. Juni 2010.

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Bestandsaufnahme, selbstgemacht

Ein Photo mit der Webcam.
Das Licht ist so schlecht. Viel zu dunkel.
Aus der Not eine Tugend machen: Schreibtischlampe volle Kanne von links.
Die rechte Gesichtshälfte im Halbdunkel. Ja, das geht.
Klick.
Die Farben stimmen nicht: Alles gelb-braun.
Also die Vorschau öffnen: Werkzeugleiste. Schwarz-weiß machen.
Den Kontrast etwas anheben.
Den Bildausschnitt auswählen. Nur das Gesicht.
So. –
So sah ich aus am 2. Dezember 2009 um 22.15 Uhr.

Aus gegebenem Anlaß

When forty winters shall besiege thy brow,
And dig deep trenches in thy beauty’s field,
Thy youth’s proud livery, so gaz’d on now,
Will be a tatter’d weed, of small worth held;
Then being ask’d where all thy beauty lies,
Where all the treasure of thy lusty days,
To say, within thine own deep-sunken eyes,
Were an all-eating shame and thriftless praise.
How much more praise deserv’d thy beauty’s use,
If thou couldst answer ‚This fair child of mine
Shall sum my count, and make my old excuse,‘
Proving his beauty by succession thine!
   This were to be new made when thou art old,
   And see thy blood warm when thou feel’st it cold.

Shakespeare verwendet in seinem zweiten Sonnett eine Kriegsmetapher („dig deep trenches“), um den Kampf der übermächtigen („forty winters“) Zeit gegen die Jugend zu beschreiben. Die Zeit erkläre der Jugend gleichsam den Krieg und durchziehe das „Feld“ der Schönheit gnadenlos mit tiefen Gräben, die alles Schöne verloren gehen ließen. Die Zeit sei ein übermächtiger Belagerer, je länger sie dauere, desto mächtiger (zahlreicher) werde sie. Das Älterwerden als Stellungskrieg. Dessen Wirkung ist unausweichlich. Trost hiergegen verspreche allein die Fortpflanzung, die Freude über die gedeihende Nachkommenschaft, in der das Schöne, an das man sich aus dem eigenen Leben erinnere, weiterlebe. So könne man älter werden und schließlich sterben („when thou art old,| … when thou feel’st it cold“). Was für ein merkwürdiges Bild.

Ganz

Traum und Verstand
sind nicht zu trennen.
Wachen und Schlafen
sind eins.
Logik und Gefühl
kommen ohne einander nicht aus.
Ohne Dunkel fehlte
dem Licht der Schatten und die Schärfe,
die Klugheit von
der Dummheit zu scheiden.

Gleichzeitig veröffentlicht in der Freitag Community am 16. August 2009.