Angerührt haben mich die Blogbeiträge „nebenan“, nämlich von unserer Wildgans und, auf sie bezugnehmend, von Claudia Kilian zu einer Ausstellung, die der Bestatter Fritz Roth organisiert hat: Menschen wurden aufgefordert, einen „Koffer für die letzte Reise“ zu packen, in den all das hinein sollte, was sie auf ihre „letzte Reise“ nach dem Tod mitnehmen möchten. Wie Wildgans schon berichtet hat, sind dabei – wie zu erwarten war – sehr unterschiedliche Entwürfe für diese Eventualität entstanden: Vollkommen leere Koffer waren ebenso dabei wie mehr oder weniger einfallsreich gefüllte. Claudia hatte ja in ihrem Beitrag schon angedeutet, sie würde ihren „Koffer“ eher immateriell befüllen; sie dachte zwar ganz konkret an eine Spieluhrmechanik, erweiterte dies aber sogleich auf die Musik überhaupt, die sie auf die letzte Reise gerne mitnehmen würde.
Mit einer „Reise“ in das „Jenseits“ habe ich als „religiös Unmusikalischer“ naturgemäß so meine Schwierigkeiten. Solange ich dafür keine Anzeichen habe, gehe ich nicht davon aus, daß es so etwas wie ein „Jenseits“ gibt. Daher endet mein Leben sehr wahrscheinlich mit dem Tod, der seinerseits ein komplexer und lang andauernder Vorgang ist. Das Sterben gehört selbst noch zum Leben hinzu, einschließlich der Berichte von sogenannten Nahtod-Erfahrungen, aber wenn die körperlichen Funktionen aussetzen, endet das Leben und damit das Bewußtsein, das mich mit dem Rest der lebenden Welt verbindet. Dann brauche ich auch keinen „Koffer“ mehr, egal wie lieb mir die Dinge sind, die darin verpackt wären. Das einzige, was in so einem „Koffer“ im übertragenen Sinne dann noch enthalten sein könnte, wären eventuell ungelöste Probleme und Konflikte, die auch die anderen Menschen, mit denen sie bestanden hatten, über meinen Tod hinaus belasten könnten. Und das wäre dann eher ein „Koffer“, den ich den Lebenden auf der Erde zurückließe, und in den müßten sie dann selbst noch einmal hineinschauen und ihn eventuell wegräumen oder umräumen oder ausräumen oder ihn weitergeben oder auch wegwerfen oder was auch immer sie dann damit machen würden. Mich ginge das ja dann nichts mehr an, denn ich wäre nicht mehr dabei, außer in der Vorstellung und in der Erinnerung, die die anderen noch mit mir verbänden. Wovon ich aber nichts mehr bemerken würde. Egal, was sie auch täten, es wäre selbstverständlich ihre Sache.
Außerdem denke ich bei dem besagten „Koffer“ an zwei weitere Bilder, nämlich zum einen an den Beuys-Block im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt (das derzeit noch immer renoviert wird). Es ist schon etwas her, daß ich dort war, aber ziemlich zum Ende erinnere ich mich an einen Schlitten, der mit dem Nötigsten beladen bereitstand zur Abfahrt. Wohin nur? Und für wen? Und zum anderen denke ich an ein Hörspiel von Wilhelm Genazino, dessen Titel mir nicht mehr einfällt, in dem auch ein Koffer eine wichtige Funktion erhält. Der Protagonist stellt einen Koffer, in dem sich sehr liebe Dinge befinden, irgendwo ab, ich meine: an oder auf einer Brücke, und wartet ab, was dann passiert, ob der Koffer also von jemandem mitgenommen wird etc.
In diesem Sinne bin ich gespannt auf die Ausstellung, die nun schon seit dem 9. November in Frankfurt am Main zu sehen ist, gut erreichbar in der Innenstadt, nämlich in der Katharinenkirche direkt an der Hauptwache sowie im Haus am Dom. Sie dauert noch bis 16. November 2009.