Archiv der Kategorie: Konsumterror

Eine Metapher für die verwundete Gesellschaft

Der Handwerker kniet auf dem Boden und schlägt mit dem Hammer auf eine lange Holzlatte ein, die vor ihm liegt. Kreissägen kreischen durch das Erdgeschoss, und es riecht nach Farbe.

Nach mehr als einem Jahr bin ich in eines der größeren Kaufhäuser gegangen. Letztes Jahr war Ausverkauf. Also wirklich Aus-ver-kauf. Sie haben auch heute keine zu früher vergleichbare Auswahl bei den Produkten. Alles ist geschrumpft, und es gibt viel Platz zwischen den Regalen und den Warentischen. Auch kaum Personal.

Ich suche nach der Kasse. Das Schild, das den Weg weist, zeigt ins Nichts. Die Kasse ist leider nicht besetzt. Sie können entweder nach unten gehen zu den Süßwaren oder ein Stockwerk höher, da hinten ist die Rolltreppe. Nein, die geht nicht, die ist außer Betrieb. Also nach unten. Eine lange Schlange. Es dauert ewig. Also doch nach oben. Umweg: Es gibt noch eine andere Rolltreppe. Eine kürzere Schlange. Möchten Sie eine Plastiktüte für zehn Cent? Nein, danke, ich habe einen Baumwollbeutel dabei. Die Plastiktüte war früher ein stolzer und moderner Werbeträger, heute ist sie ein teures Teil, das keiner mehr haben will. Nicht wirklich.

Zur Projektplanung setze ich seit vielen Jahren auf analoges Werkzeug: Einen schönen Taschenkalender und ein farblich dazu passendes Clairfontaine-Heft. Der Kalender ist bestellt. Das Heft gabs nicht kariert. Also linierte Kladden vom selben Hersteller. Hatte ich zum letzten Mal 2016. Als das alles begann. Und lange vor dem ganzen Rest. Also genaugenommen ein gutes Zeichen.

Auch die Bauarbeiten in den Geschäften könnte man positiv sehen, es wird investiert. Aber mit fremdem Geld, das man ohne weiteres verbrennen kann, ohne dass es weh täte, wenn es später abgeschrieben würde.

Auch auf der Straße: Bauarbeiten. Dauerregen auf die Baustelle.

Das Bild, das die Geschäfte und die große Einkaufsstraße bieten, wirkt wie eine Metapher für die verwundete Gesellschaft im ganzen. Sie lässt mich fassungslos zurück.

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Keine Zotero-Erweiterung mehr für Safari 12

Eine Woche vor dem Release von macOS Mojave hat Apple schon heute mehrere Updates für Sierra und High Sierra veröffentlicht, darunter auch den neuen Safari 12.

Da Apple sein Ökosystem immer mehr schließt, müssen nun alle Erweiterungen für Safari durch die AppStore bezogen werden. Frei verteilte Versionen von Safari-Erweiterungen mit der Dateiendung .safariextz funktionieren nicht mehr, sie werden beim ersten Start von Safari 12 deaktiviert und gelöscht.

Das betrifft einige weit verbreiteter Erweiterungen, in meinem Fall vor allem den Werbeblocker uBlock Origin und den Connector zu der Literaturverwaltung Zotero.

Im Zotero-Forum wird darüber schon seit Juni diskutiert, und die Entwickler haben sich dafür entschieden, das Bookmarklet zu überarbeiten, mit dem man aus Safari in die lokale Zotero-App speichern kann. Beim nächsten Synchronisieren wandern die neu erstellten Einträge dann in die ggf. angebundene Cloud. Eine Zotero-Erweiterung für die AppStore soll es aber nicht mehr geben.

Wer also weiter mit Safari und Zotero arbeiten will, bleibt nur der Workaround über das Bookmarklet. Der weitere Betrieb von Safari 11 unter Sierra und High Sierra ist möglich, aber aus Sicherheitsgründen nicht zu empfehlen. Wer flexibler ist, kann stattdessen den Webbrowser wechseln und Firefox oder Google Chrome einsetzen, denn deren Zotero-Erweiterungen funktionieren natürlich weiterhin klaglos.

Auf der Flucht vor sich selbst

Das fing ja schon viel früher an. Mit den Dystopien von George Orwell und Aldous Huxley, die jedem geläufig sind, aber die Stasi war doch gestern. Überwachung? Kontrolle bis in die private Wohnung hinein? Und der andere prophezeite, es werde Soma geben, Pillen für alle, damit keiner mehr unglücklich ein muß.

Dann kamen die 1980er Jahre, und im Fernsehen gab es eine Sendung nach der anderen über die „Neuen Medien“ – das waren damals Bildschirmtext und Kabelfernsehen. Und der Staat versuchte, eine Volkszählung durchzuführen, wie es sie noch nicht gegeben hatte. Bis zum Bundesverfassungsgericht mußten sie gehen, um das zu unterbinden. Gezählt wurde dann trotzdem, ein paar Jahre später und nicht ganz so wie vorgesehen, aber es wurde gezählt. Und immer noch mit viel Widerstand. Mein Biologie-Lehrer hatte damals die Kennummern, die er von seinen Volkszählungsbögen abgeschnitten hatte, bevor er sie abgab, in seinem Portemonnaie dabei. Denn natürlich hatte man die Wahl: Wer sich nicht totalerfassen lassen wollte, leistete Widerstand und zahlte ein Bußgeld. Und im Gemeinschaftskundeunterricht diskutierten wir darüber, daß es mit dem Kabelfernsehen jetzt möglich geworden ist, gezielt Programme nur für bestimmte Städte oder gar Stadtteile einzuspeisen, während das früher mit der Ausstrahlung für ganze Landesteile, die auch in angrenzenden Gebieten noch aufgenommen wurden, ganz sicherlich eher aufgefallen wäre. Und Prozac kam ganz groß raus.

Dann kam längere Zeit nicht viel Neues. Und dann kam das Handy. Groß und teuer, dann rasch immer kleiner und billiger. Es war auch bekannt, daß jeder, der so ein Gerät dabei hat, geortet werden kann. Daß derjenige, der die entsprechenden Daten hat und aufhebt, später ein Bewegungsprofil erstellen kann, das ziemlich genau widergibt, wohin man sich wie begeben hatte an einem Tag.

Etwas später kam dann das Plastikgeld auch in den Supermärkten und an den Tankstellen an. Nicht nur die Kreditkarte, sondern die EC-Karten nahmen sie. Es war wohl so um das Jahr 2000 herum – oder doch schon früher? –, als die Autowerkstatt den Euroscheck nicht mehr haben wollte und um eine Kartenzahlung bat. Etwa seit der Zeit fragen sie bei Peek und Cloppenburg auch immer, ob ich eine Kundenkarte hätte oder gerne bekommen würde.

Und die E-Mail verbreitete sich immer mehr. Überhaupt das Internet, wo man alles abrufen kann. Manchmal gibt es Nachrichten von Abmahnungen, weil der eine oder der andere etwas abgerufen hatte, was er besser nicht abgerufen hätte.

Natürlich gab es auch in den Bibliotheken Neues: In den Fachbereichsbibliotheken wurde die Ausleihe auf Selbstbedienung umgestellt. Man kam gar nicht mehr auf die Idee, hier noch Mitarbeiter einzustellen. Auch die Jahresgebühr kassiert jetzt ein Automat. Und natürlich hat die Bibliothek auch einen Facebook-Account. Den ich schon 2010 wieder geschlossen hatte.

Wohl zuletzt hat nun der örtliche Verkehrsverbund ein E-Ticket eingeführt: Der Fahrpreis im ÖPNV soll mit einem Smartphone von Punkt zu Punkt vermerkt und dann über den Telefonbetreiber eingezogen werden. Scheint aber nicht so richtig voranzukommen, denn die Stammkunden haben Zeitkarten, und den anderen ist das alles schon heute zu kompliziert. Als die neuen Fahrkartenautomaten mit Touchscreen eingeführt wurden, haben sie einen Mitarbeiter dazugestellt, um es den Leuten zu erklären. Die Dinger funktionieren übrigens bis heute nicht richtig; die Benennung der Stationen ist nicht kanonisch ausgeführt, und es gibt keine Suchfunktion. Deshalb erinnern sie mich immer etwas an die computergesteuerten Getränkeautomaten, die in den 1980er Jahren an unserer Schule eingeführt worden waren. Man wußte nie, ob am Ende auch das herauskommen würde, was man gewählt hatte. Deshalb nannten wir sie damals etwas despektierlich „Captain-Future-Automaten“.

Überhaupt war die Einstellung gegenüber Computern und Technik eine ganz andere als heute. Man konnte das alles nicht wirklich ernst nehmen. Einen guten Eindruck davon vermittelt die Darstellung von Computern in der Satire „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams, wo „Eddy, Euer Bordcomputer“ und die sich höflich automatisch schließenden Türen allen irgendwie auf die Neven gehen. Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen. Zehn Jahre vorher hatte Joseph Weizenbaum sein Buch über die „Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft“ geschrieben – bei Suhrkamp.

Trotzdem: Wer heute Online-Banking ablehnt und sich gegen Online-Wahlen ausspricht, bei einem Verein gar, der irgendwie etwas mit Internet zu tun hat, wird Stirnrunzeln und Skepsis ernten. Ein Ewiggestriger, aha. Und Kartenzahlungen sind doch so praktisch. Und Bargeld, wer braucht das denn noch, für Kleinbeträge gibt es Paypal. Oder man flattert mal ein bißchen. Fast alle laufen heute mit Smartphones herum. Und finden nichts dabei, nicht nur auf diese Weise ihren Tagesablauf digital zu dokumentieren, sondern sogar noch für einen zweiten Internetzugang zu zahlen, der genausoviel kostet wie der erste.

Im Perlentaucher stand nun, der 1929 geborene Hans Magnus Enzensberger habe in der FAZ vom Wochenende was gegen Smartphones geschrieben. „Wer ein Mobiltelefon besitzt, werfe es weg“, habe er geschrieben. Und sogar noch viel mehr in dieser Richtung. „Online-Banking ist ein Segen, aber nur für Geheimdienste und für Kriminelle“, heißt es da weiter. Und: „Netzwerke wie Facebook nennen sich ‚sozial‘, obwohl sie ihren Ehrgeiz daransetzen, ihre Kundschaft so asozial wie möglich zu behandeln. Wer solche Freunde haben will, dem ist nicht zu helfen.“

Enzensberger hat natürlich Recht. Und natürlich ist es ein großes Problem, wenn man bemerkt, daß es für diese vernünftige Position des digitalen Boykotts keine Mehrheiten mehr geben wird. Dank Snowden und Guardian wissen heute alle, daß es Überwachung gibt, welches Ausmaß sie hat, daß ein Datenschutz, der den Namen verdient, so gut wie nicht existiert, und daß dagegen nur digitale Abstinenz hilft. Ein kritischer und bewußter Umgang mit alledem, also ein kompetenter Umgang. Aber das wird keine mehrheitsfähige Position mehr sein in einer Gesellschaft, in der die Zeitungslektüre in der S-Bahn durch ein Smartphone mit WhatsApp ersetzt worden ist und in der jeder, der Enzensbergers kritischem und aufgeklärtem Standpunkt zustimmt, als altmodisch geächtet und abgestempelt wird. Als nächstes kommen jetzt die E-Books hinzu, natürlich mit minutiöser Kontrolle der Lesegewohnheiten durch die Portalbetreiber, die damit bis ins Privateste hinein schnüffeln können. Und von einer „Veröffentlichung“ kann bei DRM-verschlüsselten E-Books auch keine Rede mehr sein. Die Dateien sind nur solange lesbar, wie es das Portal erlaubt. Einen Zweitmarkt, ein Antiquariat wird es nicht mehr geben.

Die Zuwendung zum Smartphone und zum Tablet ist auch eine Flucht vor sich selbst. Aus dem Hier und Jetzt heraus, in die virtuelle und biedermeierliche Kunstwelt des Netzes hinein, wo ich mit meinem Überwacher allein und trotzdem mittendrin bin.

Auf die Frage, was ihn an den Geräten heute am meisten störe, antwortet der technisch versierte Interviewpartner im Deutschlandfunk: Die Batterien seien so schnell leer. Da müsse man noch was tun. Dem Mann kann geholfen werden.

Eindrücke von der Frankfurter Buchmesse 2013

Nachdem die Buchmesse im vergangenen Jahr für mich ausgefallen war, also diesmal wieder ein Gang durch die Verlags- und Medienwelt, genauer: Durch die Hallen 4.1, 4.2 und 3.1. Was hat sich da getan seit 2011 in dem Bereich, der mich umtreibt (Bildung, Wissenschaft und Bibliotheken)? Man kann getrost und ganz direkt fragen: Wie ist die Digitalisierung seitdem weitergegangen?

„Das Klassenzimmer der Zukunft“ habe ich zwar vergeblich gesucht – wo hatten sie das eigentlich versteckt? Als ich durch den Bereich Bildung lief, fand ich nur eine entsprechende Aufschrift an einer Wand vor, da muß ich wohl noch einmal auf die Suche gehen. Ein paar Gänge weiter dann aber ein zufälliger Fund, wie meist die eindrücklichsten Begegnungen im Messegeschäft: Eine polnische – ich formuliere es mal neutral – Firma bietet „Lösungen“ zum E-Learning für Schulen und Hochschulen an. Keine Endprodukte, nur B2B, sehr globaler Markt, bis nach Malaysia und auch in Australien hat man Kunden, auch in Südmamerika werde damit gelernt, belehrt mich die Broschüre. Die Inhalte sind leicht anzupassen an nationale Curricula. Als Fächer kommen daher im wesentlichen Mathematik und Naturwissenschaften infrage. Das ganze wurde mir dann kurz auf dem iPad anhand eines Filmchens zum Aufbau einer tierischen Zelle vorgeführt. Es ist eine Cloud-Lösung. Kein Flash, sondern HTML5, immerhin.

Und wenn man Gelegenheit hat, mit Polen über E-Learning zu sprechen, sollte man unbedingt die Sprache auf das Thema Open Educational Resources bringen, denn Polen gehört zu den Ländern, in denen es staatliche Initiativen gibt, in denen freie Lernmaterialien unter CC-BY-Lizenz erstellt werden. Und das scheint mittlerweile sogar sehr gut zu funktionieren. Auf Nachfrage: Früher seien OER qualitativ ziemlich schlecht gewesen, aber mittlerweile sei das Material schon sehr viel besser geworden. Und auf lange Frist werde es darauf hinauslaufen, daß ein ähnliches Problem entstehe wie bei den Zeitungen: Die Schulbuchverlage würden durch die freien Materialien mehr und mehr verdrängt. (In Halle 3.1 zeigen sie noch auf großflächigen und dementsprechend teuren Ständen ihre Printprodukte, und sie wirken dabei ein bißchen wie die Dinosaurier aus dem Druckerzeitalter, als hätten sie das Internet ausgedruckt und würden nun versuchen, es in gebundener Form wie sauer Bier unters Volk zu bringen.) Deutschland hinke im internationalen Vergleich weit hinterher, deshalb sei dieser Unterschied hierzulande nicht so leicht erkennbar, vor allem technisch bei der Ausstattung und bei der Netzanbindung der Schulen gebe es Nachholbedarf, aber auch was die Inhalte in den derzeitigen OER-Projekten angeht.

Ein polnisches Unternehmen also anscheinend auf der Suche nach neuen Märkten, die im eigenen Land aufgrund von OER zunehmend verloren gehen. Das Wiki-Prinzip setzt sich durch, während bei uns Lehrer sich meistens immer noch scheuen, ihre Arbeitsblätter und Unterrichtskonzepte zu veröffentlichen, oft aus Angst vor Bloßstellung durch die Kollegen, falls sich ein Fehler fände – der dann doch behoben werden könnte, woraus am Ende alle etwas lernen würden. Denn das Bessere ist der Feind des Guten, und fast alles kann man immer noch verbessern. In Deutschland konnte die besagte Firma bisher übrigens mit den „Lösungen“ nicht landen, was aber vor allem an unserer Vielstaaterei im Bildungsbereich liegt.

Weiter zu einem Anbieter juristischer Literatur, der immer noch viel drucken läßt – Loseblatt rulez, gerade in den Kanzleien wird der Ordner immer noch gepflegt, während in der Justiz jetzt doch der elektronische Rechtsverkehr und die elektronische Akte eingeführt werden sollen. Auch hier bietet man wieder „Lösungen“ an, die ganz sicherlich für den Verlag kostendeckend sein werden, aber schon für die kleine Kanzlei eine erhebliche Belastung bedeuten würden, täte man sich darauf einlassen. Mein Wunschpaket aus vier Kommentaren, zwei Zeitschriften und zwei Handbüchern würde aus diesem Hause mit fast 80 Euro pro Monat zu Buche schlagen – und wäre damit beinahe doppelt so teuer wie der Mindestbeitrag zum berufsständischen Versorgungswerk, der ja auch jedenfalls zu zahlen ist, auch wenn in dem Monat kein Gewinn entstanden sein sollte. Und der Nachsatz: „Das sind alles Netto-Preise“ läßt diese Preispolitik in keinem besseren Licht erscheinen.

Ganz sicherlich ist Digital genauso teuer wie Print, mitunter in der Herstellung sogar teurer, denn die Plattformen müssen entwickelt, betrieben und immer weiter gepflegt werden, und das kostet mehr als bloßes Drucken und Lagerhalten. Aber die Digitalisierung führt zunehmend, was die Fachinformation angeht, zu einer Verknappung von Wissen, weil es in vielen Fällen so teuer geworden ist, daß es nur noch über Bibliotheken – und dann: vor Ort, also nur auf dem Campus – zu nutzen ist. Der eigentliche Nutzen des leichteren und jederzeitigen Zugriffs auf das Wissen wird also durch die Preise der Verlage zunichte gemacht. Zumindest für die hierzulande wirklich relevanten Medien, während nur ältere ausländische Zeitschriften per Nationallizenz flächendeckend verfügbar sind. Das Land Hessen hat schon vor vier Jahren das höherwertige wissenschaftliche Angebot Hessenrecht online durch die exorbitant teurere und deutlich schlechtere „Lösung“ Juris ersetzt. Und auch das Bundessozialgericht bietet auf seiner Website nur die jeweils letzten fünf Jahre seiner Rechtsprechung im Volltext an. Sogar die Pressemitteilungen verschwinden nach einer gewissen Frist und werden ohne Grund und ohne Not „depubliziert“. Man kann nur hoffen, daß die Datenbank auf sozialgerichtsbarkeit.de lange erhalten bleibt.

Etwas frustrierend ist, daß man es an den Ständen durchgehend mit Leuten aus den Marketingabteilungen zu tun hat. Sie sind zwar alle superfreundlich, können aber im allgemeinen technische Fragen nicht beantworten. Aus der Herstellungsabteilung ist niemand vor Ort – bzw. niemand, der sich aufs Konvertieren in E-Book-Formate verstände. Stichwort: Print on demand. Ich weiß nun zwar am Ende des Tages, daß mein nächstes Buchprojekt sagenhaft günstig sein wird, mir ist aber ebenfalls klar geworden, daß die eigentlichen Probleme jetzt nicht mehr in der Finanzierung, sondern zunehmend in der Technik der Herstellung liegen werden. Gesucht ist eine endanwendertaugliche und offen standardisierte Lösung für die Herstellung von Print- und E-Books aus derselben Quelle, die es auch am Ende eines mehrjährigen Projekts noch geben wird. Bisher waren das Formate wie Open Document oder LaTeX, die auf reinem Text aufbauten. Aber über die Schwierigkeiten mit freier Software in mehreren Zielformaten zu publizieren, hatte ich schon vor ein paar Wochen erneut geschrieben. Alles ist derzeit in Bewegung, nicht nur in den Frankfurter Hallen und drumherum.

Nicht unerwähnt bleiben soll, daß der Verlag Urachhaus zum 100. Todestag im März 2014 eine kartonierte Jubiläumsausgabe der Gedichte von Christian Morgenstern in drei Bänden herausgebracht hat, die vollständig textidentisch mit der gebundenen Stuttgarter Ausgabe ist. Sie enthält also auch den Kommentar, der etwa in der Lizenzausgabe des Insel-Verlags aus dem Jahr 2003 weggelassen worden war.

Ganz woanders

007 wäre schon längst in Ecuador. Oder in Venezuela. Oder auf dem Weg dorthin. Er würde nicht am Moskauer Flughafen herumsitzen und sich dort mit Vertretern von Menschenrechtsorganisationen treffen und abwarten, wie lange die Russen das Spiel noch mitspielen. Er hätte schon längst einen neuen Paß und mehrere neue Kreditkarten und mehrere neue Waffen, um sich den Weg zur Not freizuschießen, und er würde auch nicht über Havanna fliegen, sondern über Kairo oder Tokio oder über ganz woanders den langen Weg ins Exil nehmen. Und natürlich in Begleitung einer charmanten Dame von der Gegenseite, die ihm selbstverständlich das Wasser reichen kann, ebenso tough, ebenso smart, ebenso treffsicher und ebenso beweglich. Bloß keinen Stillstand eintreten lassen.

Am 10. Juni 2013 veröffentlichte der Guardian die Geschichte, die Edward Snowden über das Überwachungsprogramm PRISM erzählt. Kurz zusammengefaßt: Die Geheimdienste überwachen seit Jahren den gesamten Datenverkehr im Internet, speichern ihn und werten ihn aus. Die Privatsphäre ist ohne vorherige Anhörung abgeschafft worden. Und die Massenmedien machen daraus eine drittklassige Agentengeschichte.

Es war ein langer Weg, ein sehr langer Weg, bis im 18. Jahrhundert die Grundrechte erkämpft worden waren. Es war zu Revolutionen gekommen. Der Adel wurde abgesetzt, das Bürgertum setzte sich durch, es gab Kriege, es gab Tote. Der Verfassungsstaat. Der Gesetzesvorbehalt. Der Parlamentsvorbehalt. Der Staat sollte bei allem, was er tut, an das Gesetz gebunden sein. Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Nur ein parlamentarisches Gesetz, ein Gesetz, das von einer Versammlung in einem förmlichen Verfahren beschlossen worden war, eine Versammlung, die ihrerseits in einem förmlichen Verfahren von allen Bürgern gewählt worden ist und die ein Gesetz beschließt, das seinerseits in formeller und in materieller Hinsicht rechtmäßig ist – nur ein solches Gesetz sollte es dem Staat erlauben, in die Grundrechte der Bürger einzugreifen. Grundrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat. In der klassischen liberalen Formulierung hat der Nachtwächterstaat den Bürger grundsätzlich ganz in Ruhe zu lassen. Laissez faire, laissez aller. Er ist Befehlsempfänger der Bürger, die ihm über das Parlament in den Gesetzen Handlungsanweisungen geben und ihn so an die Kette legen. Der Bürger handelt. Vor allem ging es dabei um Geschäfte, natürlich, die müssen laufen. Und alles ist öffentlich, es gibt keine Kabinette mehr. Die Zeitungen berichten über alles, was der Bürger für seine Entscheidungen erfahren muß.

PRISM ist das genaue Gegenmodell. Der Staat fragt nicht lange, er bedient sich und greift zu. Er holt sich keine Ermächtigung mehr, er fängt einfach an. Grundrechte kennt er nicht mehr. Leviathan is back. Wenn Macht die Chance ist, seinen Willen gegen andere durchzusetzen, waren die Parlamente und die Bürger noch nie so machtlos wie derzeit. Da läuft also etwas ganz gründlich schief.

Wer nun aber auf den Staat schimpft, hat Unrecht. In den 1980er Jahren gab es noch ein gesundes Mißtrauen gegenüber den Möglichkeiten der Informationstechnik. Aus diesem Geist heraus entstanden wesentliche Teile des heutigen Datenschutzrechts und, natürlich, auch ein neues Grundrecht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Volkszählung konnte nicht durchgeführt werden, wie vorgesehen, sie wurde verschoben. Soviel Zeit muß sein. Das kann sich heute kaum noch jemand vorstellen. Allein die Kosten, als das verschoben werden mußte, wären heutzutage ein entscheidendes Gegenargument. Seitdem haben die Computerhersteller die Unterhaltungsindustrie übernommen und verkaufen flächendeckend mobile Telefone, mit denen sich ein ganzes Volk rund um die Uhr orten und überwachen läßt. Die ganz Coolen twittern ständig in die Welt hinaus, wo sie sich gerade aufhalten und mit wem. Mit Geodaten, live und mit Bildern. In Farbe, natürlich. Über amerikanische Server. Oder wo auch immer die stehen mögen. Und wer das ablehnt, wird als Ewiggestriger hingestellt, wieder mal einer, der dem digitalen Wandel im Weg stehe. In den 1980ern undenkbar, wie gesagt. Heute gilt sowas in der Mittelschicht als vernünftig. Eine Gesellschaft, die sich vollständig digital und in Echtzeit selbst dokumentiert, wundert sich darüber, daß diese Daten nicht nur von Privaten – schlimm genug –, sondern auch vom Staat mitgelesen und aufgehoben werden. Komplett. Warum denn auch nicht komplett und für immer? Machen ja die Privaten auch. Big data, eben. Dürfen die Privaten das denn? War da was? Und welchen Anteil habe ich daran, wenn von mir solche Daten gesammelt werden? Brauche ich ein „Smartphone“? Brauche ich überhaupt ein Phone? Und muß das immer und überall eingeschaltet sein?

Und wie gehen die Massenmedien mit dem Thema um? Siehe oben: Sie machen daraus eine drittklassige Agentengeschichte im Sommerloch und ziehen sie über viele Wochen und viele Titelstories. Der reaktionäre Staat, der die Grundrechte aushebelt und über das weltweite Netz umgeht und letztlich abschafft, wird nicht zur Disposition gestellt. Das schon zu denken, ist nach dem Neoliberalismus wohl vielen nicht mehr möglich. Der konsequente Denkschritt, daß die Demokratie derzeit nur noch auf dem Papier steht: Anscheinend abwegig. Und die Blogger sind empört. Einige von ihnen sind sind besorgt, im ganzen aber sind sie letztlich ratlos. Die Piratenpartei schläft weiter. Die anderen Parteien waren niemals wach gewesen. War da was? Wahrscheinlich liegt es am Wetter. Bei gutem Wetter fällt die Revolution eben aus. Und für den Fall, daß es Winter ist, könnte es zu kalt sein dafür. Sie twittern, Mr. Snowden solle Asyl erhalten. Vor ein paar Wochen haben sie etwas anderes getwittert. Ach wissen Sie, man twittert so viel. Und die große Computerzeitschrift erklärt uns diese Woche, wie man seine E-Mails verschlüsselt. Alles so modern hier. Haben Sie was dagegen? Das ist die Zukunft. Oder schreiben Sie Ihre Briefe noch auf Papier?

In Deutschland geht es auf die Bundestagswahlen zu. In zwei Monaten ist es soweit. Das Wahlergebnis ist seit langem absehbar. Eine Opposition, die den Namen verdient, ist nicht erkennbar. Und der öffentliche Diskurs bewegt sich zwischen Unvermögen und Idiotie. Aufklärung war gestern. Freiheit auch. Dabei sind Grundrechte das einzige, was in einem Rechtsstaat wirklich alternativlos ist. Wenn es einer ist. Es werden wieder Umfragen durchgeführt. Die Nichtwähler werden immer mehr. Sehr langfristig gesehen.

007 wäre jedenfalls schon längst in Ecuador. Oder in Venezuela. Oder bei seiner derzeit Liebsten. Oder ganz woanders.

Schlechte Erfahrungen mit Mac OS X Snow Leopard und HP LaserJet 1022 [2. Update]

Ein Zwischenruf für Apple-Fanboys: An der miserablen Hardwareunterstützung für den HP LaserJet 1022 hat sich auch durch das letzte Treiberupdate, das Apple zum Weihnachtsgeschäft bereitgestellt hat, nichts geändert. Der Drucker ist unter Mac OS X 10.6.8 weiterhin nur über Gutenprint zu betreiben, und auch hier kommt es immer wieder zu Fehldrucken.