Bloggen über Neusprech

Ein Lesetipp: Martin Haase (Uni Bamberg) und Kai Biermann (DIE ZEIT) bloggen gemeinsam über zeitgenössischen Neusprech – ein Beispiel für kluge Sprachkritik. Bisher haben sie sich beispielsweise den Begriffen Ereignis, Maßnahme oder auch Beratung, ergebnisoffene gewidmet. Das Projekt geht auf Haases Arbeiten zu den offiziellen Sprachregelungen im Zusammenhang mit der Diskussion um das Zensursula-Gesetz zurück. Beim jährlichen Kongreß des Chaos Computer Clubs referierte er 2008 über „Neusprech im Überwachungsstaat“ (PDF). 2009 sprach er im Anschluß hieran wiederum über die Rhetorik der damaligen Bundesfamilienministerin von der Leyen: „Leyen-Rhetorik“ (PDF). Biermann veröffentlichte in der ZEIT 2009 „Des Schäubles kleines Wörterbuch“. Als Vorläufer kommen in den Sinn „The devil’s dictionary“ von Ambrose Bierce als Klassiker sowie die Sammlung „Dummdeutsch“, die in den 1980er Jahren von Angehörigen der Neuen Frankfurter Schule erstellt worden war. Gerade der Vergleich hiermit zeigt aber auch den größten Unterschied zu den postmodernen 80ern: Obwohl es auch neusprech.org nicht ganz an aufklärerischer Ironie bei der Darstellung fehlt, ist mittlerweile doch das Ende der Spaßgesellschaft erreicht. Die Dinge sind zu ernst geworden oder sie werden jedenfalls als zu ernst empfunden, als daß man sich noch ganz satirisch mit ihnen auseinandersetzen könnte.