Zwei Projekte sortieren sich neu

Zwei Projekte, denen ich einiges verdanke und denen ich schon seit mehreren Jahren mehr oder weniger öffentlich verbunden bin, organisieren sich gerade grundlegend neu. Zum einen ist aus dem OpenOffice.org-Projekt heraus endlich eine Stiftung gegründet worden, um das Projekt ein gutes Stück unabhängiger vom Kapital zu machen, das hinter der Entwicklung der Software steht. Bisher hatte man insoweit mit Sun Microsystems zu tun, was zwar auch mitunter zu gewissen Holprigkeiten geführt hatte, es war aber immer noch besser als das, was man im vergangenen Jahr mit Oracle erlebt hat. Also gründete man nun die Document Foundation, wo seitdem ein Fork von OpenOffice.org namens LibreOffice als Betaversion zum Download bereitsteht. Heute wurde auch die Startseite des OpenOffice.org Wiki angepaßt zu „LibreOffice- und OpenOffice.org-Wiki“. Damit verschwindet der Name StarOffice von der dortigen Startseite, was schon lange überfällig war, weil es das Produkt schon seit über einem Jahr nicht mehr auf dem Markt gibt. Im anderen Fall geht es um den Verein, der die deutschsprachige Wikipedia-Gemeinde unterstützt, Wikimedia Deutschland. Auf der öffentlichen Vereins-Mailingliste wurde gestern bekannt, daß Wikimedia Deutschland aufgrund veränderter Rahmenbedingungen mit der amerikanischen Wikimedia Foundation Spenden zukünftig von einer gemeinnützigen GmbH einnehmen lassen möchte. In beiden Fällen kam es zu erheblichen Irritationen der Community, weil die Vorbereitungen zu der Neuorganisation bzw. deren Durchführung ohne deren Beteiligung erfolgt waren und sich nun auf einmal viel Klärungsbedarf ergab. Es ist nicht übertrieben zu sagen, es bestehe eine erhebliche Verunsicherung unter den jeweiligen Projektmitgliedern. Ich verfolge diese Entwicklungen derzeit aus einiger Entfernung auf den jeweiligen Mailinglisten, und ich bin mir insgesamt noch unschlüssig, was die langfristigen Folgen sein werden. Deshalb erwähne ich die beiden mittleren Erdbeben an dieser Stelle nur, ohne sie im einzelnen weiter einzuordnen oder weiter zu bewerten. Die jeweiligen Entwicklungen haben nichts miteinander zu tun, sie spielen sich nur zufällig gleichzeitig ab. Wer übrigens nicht „ins Internet guckt“, wird davon gar nichts mitbekommen. So kann man es ja auch einmal betrachten.

6 Kommentare zu „Zwei Projekte sortieren sich neu“

  1. Es gab heute eine Bestätigung auf der Vereinsliste: Keine Abmahnung, keine Gegendarstellung, die Redaktion von Telepolis hat den Beitrag von sich aus aus dem Verkehr gezogen, was klug war, denn er war voller Ungenauigkeiten und sehr grober Fehler. Was soweit ging, daß der „Medienrechtler Markus Kompa“ einen Beitrag von einem obskuren Portal zu einem Urteil des EuGH verlinkt hatte, das hier gar nicht einschlägig ist. Die Gemeinde ist leider heillos zerstritten, in einem „Club“ versammeln sich seit langem die Fundamentaloppositionellen, man schreibt sich mittlerweile auch offene Briefe und versucht, zur außerordentlichen Mitgliederversammlung zur Abberufung des Vorstands zu trommeln. Alles sehr unschön, aber mir macht die Wikipedia trotzdem immer noch viel Spaß.

  2. >aber mir macht die Wikipedia trotzdem immer noch viel Spaß.

    Dem kann ich und will ich nicht widersprechen, ich stelle selbst gelegentlich noch Inhalte ein, zumindest auf Wikimedia Commons. Beschränke mich aber mehr und mehr auf das US-Original, nicht weil dort das Gras grüner erscheint, nein die Bandbreite ist einfach gewaltiger und so manches was hier kleinkariert daherkommt, kann dort teils „übersehen“ werden.

  3. Das ist richtig, die englischsprachige WP ist vielfältiger. Sie ist übrigens auch sehr viel pingeliger, was die Belege angeht. Wenn dort ein Beleg fehlt, wird das sofort moniert. Bei uns gibt es Streit um die Regeln für Belege … die französischsprachige Wikipedia ist dagegen vergleichsweise schlecht: Sehr viele sehr knappe Artikel, die in den ersten Versuchen steckengeblieben sind und dann mitunter jahrelang nicht mehr angefaßt wurden.

  4. Die englischsprachige Wikipedia ist in manchen Bereichen der deutschsprachigen Version meilenweit voraus, aber dem durchschnittlichen Wikipedia-Nutzer fällt es wohl eher selten auf. Es stellt sich dabei aber die Frage, ob sich im Einzelfall nur keine kompetenten deutschsprachigen Bearbeiter gefunden haben, oder ob die Unterschiede grundsätzlicher Natur sind und außerhalb von Wikipedia liegen – letzteres mit erheblichen Konsequenzen.

    Aufgefallen ist mir das bei der Diskussion über Thilo Sarrazin, welche seit Ende August die Öffentlichkeit in Atem hält: Das Fass zum überlaufen brachte bekanntlich ein Interview Sarrazins mit der Welt am Sonntag am 29.08.2010. In diesem Gespräch fiel der Satz: „Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden.“.

    Sarrazin gab später zu, dass ihm diese Aussage verunglückt sei, er sprach sogar von einem Blackout. Was er aber eigentlich sagen wollte – und er hat dies in einer noch am selben Tag über seinen Verlag verbreiteten Erklärung richtiggestellt – ist völlig unstreitig (vgl. dazu die nachstehend angesprochenen englischsprachigen Wikipedia-Artikel).

    Zum Thema Juden gibt es in der deutschsprachigen und in der englischsprachigen Wikipedia jeweils einen Einführungsartikel:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Juden
    http://en.wikipedia.org/wiki/Jews

    Im letztgenannten Artikel finden wir einen Punkt 6, „Genetic studies“. In dem deutschsprachigen Wikipedia-Artikel findet sich dazu überhaupt nichts. Der englischsprachige Artikel verlinkt zu einem umfangreichen und reichhaltig mit Quellenangaben versehenen Artikel, der ausschließlich dem Thema gewidmet ist:

    http://en.wikipedia.org/wiki/Genetic_studies_on_Jews

    Ein deutschsprachiger Artikel hierzu existiert nicht.

    Sarrazin sprach in dem Zusammenhang ferner von den Basken:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Basken
    http://en.wikipedia.org/wiki/Basque_people

    Im deutschsprachigen Artikel finden wir eine beiläufige Erwähnung des Aspekts Genetik in einem Nebensatz, der englischsprachige hingegen bietet unter Punkt 10 einen Überblick über den Stand der Forschung mit umfangreichen Quellengaben.

    Man vergleiche ferner folgende Artikel:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Russen
    http://en.wikipedia.org/wiki/Russians

    Im deutschsprachigen Artikel wiederum Fehlanzeige, den Autoren des englischsprachigen Artikels hingegen ist der Aspekt Genetik so wichtig, dass er den zweiten Gliederungspunkt bildet, noch vor Kultur, Sprache und Religion. Das gleiche Bild finden wir bei ähnlichen Artikeln:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Finnen
    http://en.wikipedia.org/wiki/Finns (vgl. hier den Punkt 6)

    Es gibt in der englischsprachigen Wikipedia eine ganze Kategorie:

    http://en.wikipedia.org/wiki/Category:Genetic_genealogy

    ohne deutschsprachige Entsprechung. Die meisten der dort aufgezählten Artikel gibt es ebenfalls nicht auf Deutsch.

    Mir ist nicht erklärlich, warum in der deutschsprachigen Wikipedia so außerordentlich relevante und spannende Forschungsergebnisse überhaupt keinen Niederschlag finden.

  5. Anm.: Radiomensch hat in einer privaten Diskussion auf zwei weitere Artikel zum Thema im Tagesspiegel und in der New York Times hingewiesen. Ich halte von alledem nicht allzuviel, und gerade die Artikel rund um Israel in der englischsprachigen Wikipedia sind ein ganz langfristiges Feld von Manipulationen und üblen Editwars.

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