Vom „echten Bloggen“

Markus Sowada hat sich gestern auf seinem Blog als schneeschmelze-Leser geoutet. Das hat mich sehr gefreut, deshalb habe ich mich heute abend in einem Kommentar für sein Lob bedankt und mich auch an einer etwas eingehenderen Beschreibung meines Blogs versucht, die ich im folgenden zitiere:

[…] Es freut mich natürlich, wenn Dir mein Blog gefällt, das ja ursprünglich gar kein „richtiges Blog“ sein sollte, sondern nur zur Dokumentation meiner Texte gedacht war, die im Laufe der Zeit an vielen Stellen im Netz verstreut worden waren.[1] Zunächst begann ich damit, sie wieder einzusammeln, dann kamen immer öfter mehr oder weniger spontane Anmerkungen hinzu.

Die „schneeschmelze“ hat, davon abgesehen, kein weiteres Konzept, kein Thema, außer ihrem Motto, der persönlichen Selbstfindung und -vergewisserung. Deshalb können bei den Lesern auch keine Erwartungen entstehen, die erfüllt werden müßten oder die enttäuscht werden könnten.

Entscheidend ist für mich gerade das unkommerzielle Schreiben, das Du ja auch hervorgehoben hast. „Echtes Bloggen“ ist rein ideell, und es findet dort im Netz statt, wo es gerade hinpaßt, also nicht nur in Blogs, sondern auch in Mailinglisten, im Usenet, auf Microblogs oder in Webforen. Die „schneeschmelze“ sammelt meine Beiträge, und ich glaube, es steht Deinem „morgenland“ schon recht nahe.

Vor allem aber weiß ich nicht, wie lange es die „schneeschmelze“ noch geben wird. Denn irgendwann einmal könnte aller Schnee geschmolzen sein …

Update: Zum „echten Bloggen“ sowie zum Verhältnis von Bloggen und Kommerz vgl. auch den Beitrag von Christian Sickendieck, „Reden wir doch mal Tacheles“, in: F!xmbr vom 25. April 2009 (verlinkt ist die Archiv-Version).

15 Kommentare zu „Vom „echten Bloggen““

  1. Ich stelle meine Antwort auf Deinen Kommentar hier mal »händisch« ein:

    Jürgen, das ist lustig. Erst beim Lesen Deines Kommentares ist mir wieder bewusst geworden, was an und für sich auf der Hand liegt. Natürlich ist das Blog nicht der Mittelpunkt des Geschehens. Es ist das Schreiben, es ist das Aufnotieren von Gedanken und Erlebnissen und es ist das innere Ordnen, was mit dem Schreiben einher geht. Blogs sind augenblicklich gute Werkzeuge. Sie sind enfach im Handling, ich kann sie nach meinen Vorstellungen gestalten und kann schreiben was ich will und wann ich will. Natürlich schreiben wir alle auch woanders. Du nennst das Usenet (wo wir doch alle angefangen haben) und natürlich sind auch Foren und Mailinglisten Orte gesammelten Wissens (wenn es gut läuft). Zusätzlich könnte man noch private Orte nennen. Offline Schreiben ist schliesslich auch schreiben. Ich habe beispielsweise seit der Bundestagswahl viel geschrieben, dachte aber, dass ich manches davon ersteinmal für mich selber ordnen muss, bevor ich mich öffentlich äussere. Schliesslich will ich keine geistige Verunreinigung betreiben, sondern etwas beitragen, was es so vielleicht noch nicht gibt.

    Übrigens kann ich gut verstehen, dass Du nicht weisst, wie lange es die »schneeschmelze« noch geben wird. Wenn man mich fragt, wie lange ich noch öffentlich Schreiben werde, dann weiss ich darauf auch keine Antwort. Gerade diese konzeptionelle Offenheit ist es, die ich als großen Luxus empfinde. Ideelles Schreiben bedingt (meiner Meinung nach) generell, dass man nicht sagen kann, wie lange man ein Projekt fortführen wird. Vielleicht ändern sich wichtige Voraussetzungen oder man ändert seine eigene Haltung zu seinem Projekt. Man müsste an einem solchen Punkt unbedingt die Kraft haben, alte Zöpfe abzuschneiden und Neues anzufangen. Bislang bin ich aber noch sehr zufrieden mit meinem Projekt. Das kann ich freilich sagen. Was nun die »schneeschmelze« angeht, so hoffe ich ersteinmal auf weitere Beiträge. 🙂

  2. Ich habe übrigens Christian Sickendieck „Reden wir doch mal Tacheles“ seinerzeit natürlich auch gelesen. Leider kennen wir uns nicht aus dem sogenannten RealLife, sondern nur via Identica.

    Christian bewertet manche Dinge ähnlich wie ich das auch tue. Blogs sind nicht relevant, weil sie Blogs sind. Natürlich gilt dies in gleichem Maß auch für Zeitungen. Autoren und Journalisten sind u.U. relevant. Das Werkzeug, welches sie für Veröffentlichungen nutzen, ist eher nebensächlich. Natürlich ist es auch richtig, dass klassischen Zeitungen hierzulande derzeit in der Regel weitaus größere Reichweiten haben. Wie er denke ich auch, dass man sich vielmehr das Gemeinsame klarmachen sollte und nicht so sehr das, was Blogger von Journalisten trennt. Was den Aspekt des Inzestiösen angeht, so kann man das natürlich nicht nur über die Blogszene sagen. Jeder Mikrokosmos ist schlussendlich inzestiös.

    Einige Bemerkeungen zu Christian Sickendieck. Ich habe seinen Artikel natürlich nochmal neu gelesen und muss sagen, dass ich so meine Probleme habe mit dem Hang zur Überzeichnung, der für ihn und seinen »F!xmbr« typisch ist. Er benennt und anlysiert meistens durchaus richtig und auch in der manchmal nötigen Schärfe. Seine gleichzeitig vorhandene (aus meiner Sicht) übertriebenen stets überzeichneten Bewertungen machen es für mich aber schwierig, »F!xmbr« zu lesen. Wir leben in einer Zeit, in der gesellschaftliche Gruppen immer weniger in der Lage sind, überhaupt noch miteinander zu kommunizieren. Gerade wenn unterschiedliche Meinungen, Positionen oder Haltungen vorhanden sind, findet entweder wenig oder keine Kommunikation statt. Das ist aber eine Sackgasse, die viele Probleme auslöst oder vorhandene Probleme verstärkt. Natürlich sollte man sein Tun und Wirken auch nicht überbewerten. Aktuell kann ich Beiträge, die trennen und gar nicht versuchen, wirklich Zusammenhänge zu erklären, aber nur schwer ertragen.

    Aber, generell gilt: Das ist natürlich nur meine persönliche Meinung.

  3. >machen es für mich aber schwierig, »F!xmbr« zu lesen

    Schmach und Schande über dich 😀 Du findest es schwierig uns zu lesen? Natürlich polarisieren wir und bieten auch unsere Meinung feil, welche nicht unbedingt jedem da draußen mundet. Aber wir sind doch nicht schwierig zu lesen, man muß sich nur daran gewöhnen 😉

    >Wir leben in einer Zeit, in der gesellschaftliche Gruppen immer weniger in der Lage sind, überhaupt noch miteinander zu kommunizieren.

    Ich kenne Chris nun seit irgendwann vor 2000, gerade diese unverfälschte Meinung, die sicherlich manchmal auch brutal zum Leser kommuniziert wird, brachte uns zusammen. Dabei laufen wir nicht unbedingt in puncto Meinung parallel, aber wir haben gemeinsame, unveräußerliche Prinzipien und sind ehrlich zueinander. So manches mal ist es eine ähnlich brutale Ehrlichkeit wie in den von dir angesprochenen Artikel 😉

    Aber hey, es wirkt. Ich vertraue Chris blind und dieses Vertrauen mußte sich schon desöfteren beweisen. Was ich eigentlich damit sagen möchte: Kommunikation, die klappt schon noch in der heutigen Zeit, nur haben es sich viele angewöhnt mit zuviel Lügen zu leben und selbst verträgt man auch Wahrheit nicht mehr wirklich. Die „soziale Gemeinschaft“ dieser Weblogs ist ein gutes Beispiel dafür, außen macht man auf gut Freund, hinter den Kulissen hagelt es Tiefschläge … friendly fire ist dafür noch eine recht höfliche Metapher.

  4. @Oliver Hallo Oliver, da finde ich ja eine späte Entgegnung auf meinen Kommentar ;). Ich will mal versuchen, mit gehörigem zeitlichen Abstand etwas dazu zu sagen bzw. zu schreiben ..

    Meine Schwierigkeiten beim Lesen des »F!xmbr« haben an sich mit dem »F!xmbr« konkret nichts zu tun oder mit Euch beiden. Wie Du schon richtig vermutest, habe ich meine Probleme mit dem Polarisieren. Meiner Meinung nach ist das Polarisieren ein effektives und gut geeignetes Instrument, um Themen oder Standpunkte herauszuarbeiten und sich durchaus auch, um sich einem größeren Publikum vorzustellen. Genauso selbstverständlich ist es für mich aber auch, dass beim konkreten Suchen und Erarbeiten von Lösungsansätzen das Polarisieren Gesprächspartner eher vonaneinader trennt und es schwieriger macht, überhaupt erst miteinander ins Gespräch zu kommen. Nach meiner Beobachtung fehlt es aber in Deutschland u.a. daran, dass gesellschaftliche Gruppen gesprächsbereit werden, sind oder bleiben. Natürlich muss man diese Gesprächsbereitschaft ganz selbstverständlich von allen gesellschaftlichen Gruppen und Einzelpersonen einfordern. Manche selbsternannte neue Elite setzt sich ab und entizeht sich ihrer Verantwortung. Da muss man nachhaken, muss hartnäckig Verantwortung einfordern, nötigenfalls auch gesetzlich. Generell gilt aber eben auch: Überall dort, wo man übereinander redet und nicht miteinander, geht etwas entzwei.

    Du liest diese Zeilen und denkst jetzt, dass ihr doch keine Partei seid oder eine Gewerkschaft oder eine anders geartete politische Vereinigung. Ich meine, dass man, sobald man sich in den öffentlichen Raum begibt, Teil des Spiels ist und deshalb wünsche ich mir von allen Teilnehmern am Tisch vor allem Offenheit. Ihr schreibt anprangernd und recht versimplifiziert (verzeih den Ausdruck. Ich las vor einiger Zeit Salman Rushdies «Des Mauren letzter Seuzfer» und eine Person, die aus Indien stammt, redet dort gebrochenes Englisch und der Übersetzer hat Rushdies sprachverliebte Texte an dieser Stelle so übersetzt, dass besagte Person manche Wortstämme falsch bildet. Sie bricht sie nichts, sondern sie brechifiziert etc.. Ich denke immernoch an Rushdies Text une bekenne meine Begeisterung durch Nachahmen 😉 ) über Dinge, die man zwar vereinfachen kann, die dann aber derart vereinfacht nichts mehr mit dem eigentlichen Problem zu tun haben. Stichworte? Hier sind ein paar Beispiele. Sie sind beliebig genannt und ohne Priorität: Ihr schreibt meist eher abfällig über das Social Web und seine «Bewohner» und ihr schreibt, dass dort nicht alles so rosig ist wie manche Leute das vorgeben. Da hast Du vollkommen Recht. Allerdings gebietet es der normale Menschenverstand, dass man sich klarmacht, dass natürlich keine neue oder alte Gruppe innerhalb der Gesellschaft besser ist als eine andere oder schlechter. Es gibt tolle Leute, die dieses Social Web vorantreiben und es gibt Brathähne ;). Gibt es nicht auch im Journalismus bessere und nicht nicht so dolle Autoren und Verlagshäuser? Ein anderes Beispiel: Ihr prügelt (häufig) auf den Sozis herum und wundert euch kurze Zeit später, dass wir alle von Schwarz-Gelb regiert werden und das wir alle auch auf absehbare Zeit die Chance eingebüsst haben, dass sich da anderes entwickeln kann. Und, glaube bitte keine Sekunde, ich wäre weniger enttäuscht über das, was man heute die SPD nennt! Du liest jetzt einmal mehr meine Zeilen und denkst: «Ja, aber man muss doch Dinge, die falsch sind, ansprechen können!» und ich antworte Dir: Natürlich, gerade von Journalisten und anderen wachen Bürgern erwarte ich, dass sie Falsches sehen und darüber sprechen und es offenlegen. Allerdings wäre es sinnvoll, bei der Wahl der Mittel nachzudenken, ob die gewählten Waffen verhältnismässig sind. Ich als Leser und Wähler und Bürger suche heutzutage nichts so sehr wie Quellen, die mir unsere komplexen gesellschaftlichen Zusammenhänge aufzeigen und Lösungswege vorstellen bzw. andiskutieren. Wenn ich von Leuten lesen will, die andere in die Pfanne hauen, dann gibt es da gerade heutzutage schon mehr als genug mögliche andere (Lese)Quellen.

    Fazit: Wenn ich den »F!xmbr« lese, dann will ich mehr lesen, als plattes Draufhauen. Ich will und wünsche mir das übrigens gerade deshalb, weil ich Euch beide sehr schätze (soweit man das aus der Entferung sagen kann). Explizit möchte ich sagen, dass ich an Eurer Integrität nicht den Bruchteil einer Sekunde zweifele. Meine Meinung von Euch ist hoch und gerade deshalb liegt die Messlatte für Euch sehr hoch. Das ist gemein, ich weiss .. 😉

  5. >Ein anderes Beispiel: Ihr prügelt (häufig) auf den Sozis herum und wundert euch kurze Zeit später,

    Einspruch euer Ehren, nichts ist so wie es scheint. Chris war durch die Bank SPD Wähler und ich wirkte unter Lafo bei dessen Aufstieg innerhalb der Jusos mit, trat später anno 2001/2 aus und trat später im Wahn noch einmal für einige Zeit ein, um etwas zu bewirken. Heute bin Mitglied bei den Grünen. Es mag auf den ersten Blick also widersprüchlich anmuten, aber mit Kenntnis einiger Details erklärt sich so manche Vorgehensweise unsererseits.

    Das nur als Beispiel, bezeichne es als Vergangenheitsbewältigung 😉

  6. Beinahe habe ich mir schon gedacht, dass auch Euch beiden die Sozialdemokratie mal was bedeutet hat. Die Emotionalität, die aus vielen Texten spricht, legt dies nahe. Übrigens habe auch ich der SPD in Wahlkämpfen geholfen, habe Wahlveranstaltungen vor- und nachbereitet, habe an diversen Diskussionen teilgenommen und habe sogar so etwas wie eine «familiäre Vorbelastung» (meine Mutter hat mitten in einer schwarzen Diaspora über lange Jahre hinweg sozialdemokratische Kommunalpolitik gemacht) 😉 ..

    Ich verspreche, es immer wieder mit dem F!xmbr zu versuchen und ich hoffe auf etwas mehr Ausrichtung auf die Zukunft, denn tatsächlich ist es zwar sinnvoll und notwendig, das Vergangene zu analysieren bzw. auf Mißstände aufmerksam zu machen. Zukunft leben heisst (bezogen auf ein Blogprojekt) aber vor allem anderen, nach besseren Lösungsansansätzen zu suchen und darüber zu berichten.

  7. @Oliver Nachtrag: Ich habe gerade Christians Artikel für den «Vorwärts» gelesen («Die SPD hat in den letzten Jahren jedes Vertrauen verspielt»). Er hat mich sehr begeistert. Ich freue mich, dass ich da Inhalte finde, die etwas zu tun haben mit Zukunft. Ob die SPD nochmal die Kurve kriegt oder nicht, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. 🙂

  8. >tatsächlich ist es zwar sinnvoll und notwendig, das Vergangene zu analysieren bzw. auf Mißstände aufmerksam zu machen.

    … hey, da genieße ich als Archäologe Heimvorteil 😉

  9. Ich nehme das jetzt mal nicht als ſchlechtes Ohmen, daſs ihr von der SPD direkt auf die Archäologie gekommen ſeid … ganz ſo tot ſind wir dann (hoffentlich) doch noch nicht ;).

  10. @Frakturfreund, Dein Einwurf bestätigt meine These, daß die SPD viel toter ist, als sie es selbst bisher bemerkt hat, und das alles macht mich ja sehr traurig, aber wenn ich das Herumgeeiere in NRW wegen rot-rot-grün jetzt wieder sehe — man kann es ja nicht mit ansehen …

  11. @jfenn Ach, die Wahl in NRW … das Du aber auch immer den Finger in die offenenn Wunden legen muſſt ;). Das Debakal nach der heſſiſchen Landtagswahl iſt halt noch längſt nicht vergeſſen, und das Wahlergebnis in NRW iſt machtoptionentechniſch halt mehr oder weniger das gleiche. Man hat Angſt davor, mit Rot-Grün-Rot wieder Schiffbruch zu erleiden (und
    im Verhältnis zur Linkspartei als opportuniſch und prinzipienlos darzuſtehen) und flüchtet ſich deshalb in die ungeliebte groſſe Koalition … in der die CDU aber höchſtwahrſcheinlich den neuen Miniſterpräſidenten ſtellen wird, obwohl es doch im Parlament eine klare linke Mehrheit gibt. Manchmal iſt die SPD ſchon ein wenig maſochiſtiſch … 😦

    Ich verſehe nur nicht, warum Kraft (die Miniſterin unter Clement war) überhaupt mit den Linken verhandelt hat, wenn man dieſes Bündnis doch gar nicht wollte (was man an der Geſprächsthemen der Sondierungsgeſpräche doch recht klar erſehen kann). Dann hätte man auch gleich die Forderungen der FDP erfüllen und überhaupt nicht mit ihnen reden können, das wäre ehrlicher geweſen – und man hätte bei den Verhandlungen mit der CDU mehr Druck ausüben können, da man noch eine Alernative gehabt hätte.

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