Das Leben ist ein Wartezimmer II

Nebenan schreibt Cem Basman über das Wiener Sigmund Freud Museum und das Wartezimmer des Vaters der Psychoanalyse: „Ein dunkler Raum mit Blick auf den engen Hinterhof. An den Wänden Stiche aus dem Alten Testament, seine Approbationsurkunde und einige Auszeichnungen als Arzt. Eine Vitrine mit seiner Antikensammlung aus kleinen Artefakten aus Altägypten. Eine etwas beklemmende Atmosphäre aus heutiger Sicht. Ich stehe auf und gehe ins Behandlungszimmer.“ Und er fragt sich: „Wer hier alles schon auf seine Erlösung gewartet haben muss. Getriebene. Gequälte Seelen. Studienobjekte.“ Es war damals nicht viel anders als heute, nur daß das alles erst begann. Aber die erste therapeutische Couch steht seit 1938 in London. Freud hatte sie auf der Flucht vor den Nazis mit ins britische Exil genommen. Sie wird von dort seitdem nicht mehr verliehen, auch nicht nach Wien. Ich sehe vor mir das berühmte Bild, das Freud zusammen mit seiner Tochter Anna zeigt, wie sie bei der Ankunft in Paris aus dem Eisenbahnwagen schauen (in der rororo-Monographie von Octave Mannoni auf Seite 155). Er zeigt seiner Tochter etwas, sie blicken gemeinsam nach rechts aus dem Bild. Zwei, die der Welt soviel gegeben haben, unterwegs. Man kann nur von einem Ort weggehen, wenn man weiß, wohin man will.