„… und einmal sprachen wir sogar vom Tod …“

Rechtsanwalt Freiherr von Gravenreuth hat sich heute in München selbst erschossen. Die Netzgemeinde war auf Gravenreuth ausgesprochen schlecht zu sprechen, um es zurückhaltend zu formulieren. Er war vorwiegend als Abmahnanwalt bekannt geworden und tummelte sich zu seinen besten Zeiten auch gerne in Newsgroups. Ich kann mich noch gut an seine Postings und an sein Auftreten in der Newsgroup de.soc.recht.datennetze erinnern, wo er immer wieder mit streitbaren bis abwegigen Ansichten auffgefallen war. Auch seinen Selbstmord kündigte er nun in einem Internetforum an.

Näheres zum Hergang teilt die Münchener Abendzeitung mit: Nachdem er zu einer Haftstrafe verurteilt worden war, erhielt er eine gewisse Übergangsfrist, um seine Geschäfte vor Haftantritt zu regeln. Wegen der Haftstrafe habe er seine Zulassung als Rechsanwalt verloren, schreibt die Zeitung. Der Haftantritt habe nun unmittelbar bevorgestanden. Nachdem er davon erfahren habe, daß die Studentenverbindung, der er angehört hatte, ihn habe ausschließen wollen, habe er sich in deren Gemeinschaftsraum das Leben genommen. Die Polizei sei zwar nach der Ankündigung in einem Internetforum zu seiner Hilfe gerufen worden, habe ihn aber nur noch tot aufgefunden.

Und auch davon abgesehen, sprachen wir gerade heute tatsächlich viel vom Tod. Und leben weiter. Kalt lassen wird die Nachricht ganz sicherlich niemand. Ich denke auch an einen Beitrag im Magazin der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Freitag, in dem Christoph Cadenbach just über den „Werther-Effektgeschrieben hatte: Die Berichterstattung über den Selbstmord Prominenter führe zu einer Erhöhung der Selbstmordrate. Als der Torwart Enke sich das Leben genommen hatte, sei die Zahl der Suizide um das Vierfache angestiegen.

Wie sagte Albert Camus 1942 im Mythos von Sisyphos:

„Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord. Die Entscheidung, ob das Leben sich lohne oder nicht, beantwortet die Grundfrage der Philosophie. Alles andere – ob die Welt drei Dimensionen oder der Geist neun oder zwölf Kategorien habe – kommt erst später. Das sind Spielereien; zuerst heißt es Antwort geben.“ (Übers.: Hans Georg Brenner, Wolfdietrich Rasch, 1956).