„Jeff Koons. The painter“ und „Jeff Koons. The sculptor“ in der Frankfurter Kunsthalle Schirn und im Liebieghaus

jeff-koons-schirnup-am-27-juli-2012_7653534818_o
Jeff Koons. #schirnup am 27. Juli 2012

Alles ein bißchen verwinkelt hier, die Kunsthalle Schirn hat doch noch Ecken zu bieten, an die ich bisher noch nicht gekommen war, insbesondere ein gut gekühlter Vortragsraum, den man über eine Außentreppe erreicht (auch bei schlechtem Wetter, auch bei Schnee und Eis?). Dort gibt es eine „Akkreditierung“: Man wird begrüßt und erhält ein Namensschild, darauf steht der Name meines Blogs, als wäre es eine Firma, die ich vertrete. Merkwürdiges Gefühl, aber auch nicht ganz abwegig. Außerdem erhalten wir eine Jeff-Koons-Tüte mit Ausstellungskatalog und einer kleinen Mappe zur Veranstaltung mit ein paar Goodies. Sehr wichtig: Da drüben stehen die Getränke! Weil es heute so heiß ist, deutlich über dreißig Grad. Und Brezeln gibts auch.

Die Schirn hatte eingeladen, und einige Blogger kamen nicht, aber die meisten angemeldeten waren da. Auch der Kollege Bembel ist darunter, und endlich lerne ich auch Herrn Larbig mal persönlich kennen. Es ist das erste Bloggertreffen in der Schirn, die PR-Abteilung ist daran interessiert, stärker in der Blogosphäre beachtet zu werden, und man hat sich augenscheinlich Mühe gegeben. Mitunter wurden weite Anreisen übernommen, um uns heute zusammenzuführen. Die Timeline auf Twitter legt ein beredtes Zeugnis ab von dem Nachmittag in Schirn und Liebieghaus. Wobei auffällig war, daß die Smartphone- und iPad-Quote nicht ganz so hoch war, wie erwartet. Und doch: Menschen in Parallelwelten um mich her. Eine zweite Ebene wird eingezogen, das Geschehen wird live online kommentiert, und die Akteure auf der Bühne reagieren wiederum darauf. Statt sich zu Wort zu melden und den Mund aufzumachen, tippen sie auf ihre Clients ein. Wohlgemerkt: Alle saßen im selben Raum. Zwischendurch die Schreckensmeldung: Twitter funktioniere nicht! Es hat etwas Absurdes.

Mercedes Bunz und Matthias Planitzer bedanken sich dafür, daß wir alle gekommen seien, obwohl es heute so heiß ist, und geben nacheinander einen Impuls. Hier hatte ich mehr Theorie erwartet. Danach die Diskussion, in der sich schnell eine Spaltung des Publikums abzeichnet: „Die Blogger“ sind eben eine sehr heterogen zusammengesetzte Gruppe. Die echten Blogger fühlen sich irgendwie unwohl angesichts der ihnen entgegengebrachten Umarmungsversuche – ein ganz altes Problem, übrigens, mindestens so alt wir die diversen Netze selbst. Während die anwesenden PR-Leute selbstbewußt sich von den „Hobbyschreibern“ distanzieren und das Angebot begrüßen, mit Journalisten gleichgestellt zu werden. Um die Lage zu sondieren, bittet Mercedes Bunz um ein Handzeichen: Wer von den Anwesenden für ein Kunstblog professionell schreibe? Wer ein eher privates Blog betreibe? Und – welche Komik! – wer gerne vom Bloggen leben können wolle? Mehr als man denken mag – ihnen sei der Post Reden wir doch mal Tacheles von Christian Sickendieck zum Lesen empfohlen. Mehrere PR-Plattformen hatten im Vorfeld der Veranstaltung die Pressemitteilung der Schirn im Volltext und die dazugehörigen Werbephotos aus dem Schirn-Magazin übernommen und damit eine reine Ankündigungsfunktion erfüllt – was man beim besten Willen nicht mehr als „Bloggen“ bezeichnen kann. Bloße Nachrichten- und Presse-Ticker ohne Mehrwert hat es schon immer gegeben. Wirklich unersetzlich sei eben nur das Funktionslose, sagte die Frankfurter Schule einmal. Hier dürfte eine differenziertere Wahrnehmung angezeigt sein, ich begleite das aber gerne weiter.

Der Rest des Tages war der Jeff-Koons-Ausstellung in Schirn und Liebieghaus gewidmet. Koons liebt es groß und in knalligen Farben, und es fällt mir zugegebenermaßen nicht leicht, das zu mögen. Koons malt nicht selbst, er läßt malen, laut Munzinger-Archiv beschäftigt er über 80 Mitarbeiter in New York, die die Bilder nach seinen Entwürfen anfertigen. Das kann mehrere Jahre dauern. Zumeist übernimmt der spätere Käufer die Vorfinanzierung, erfahren wir. Das Unternehmen Koons arbeitet also schon während der Produktionsphase rentabel, die Kosten sind gedeckt, am Ende entsteht Gewinn. Und das Ergebnis sehen wir derzeit in der Schirn, es wird uns präsentiert, und ich schreibe gerade darüber. Die Hängung der Bilder folgt nicht unbedingt den „Serien“, die Koons konzipiert. Nur die Werke, auf denen er sich mit seiner früheren Frau, der italienischen Porno-Darstellerin Ilona Staller, in freizügigen Posen photorealistisch darstellt, hängen beieinander, kindergeschützt in einer Ecke der Halle. Der Katalog erspart dem Betrachter hier übrigens einiges.

Überhaupt, das biological destiny, die Fruchtbarkeit, beschäftigt ihn sehr, liest man im Apollo Magazine aus dem März 2008. Aber auch der Pop, genauer: Popeye, the sailor – das einzige Werk, das mir heute in näherer Erinnerung geblieben ist, weil es eine ganz erhebliche Präsenz im Raum einnahm. Strahlend glänzend steht er vor einem, groß und blitzeblank poliert, fast wie in einem Traum in Szene gesetzt, dabei tonnenschwerer Edelstahl. Im art kaleidoscope 2/2012 hieß es, an schwierigen Stellen werde die Politur durchaus auch einmal eine Woche lang mit einem Wattestäbchen ausgeführt, damit es schließlich richtig glänzt. Andere Werke wurden aus Porzellan gefertigt, was ausgesprochen schwierig und in jeder Hinsicht sehr aufwendig ist.

Optisch ist es jedenfalls der reine Kitsch, etwa wenn eine hölzerne Sau in Richtung auf den Museumsbesucher zu geschoben wird. Der Betrachter werde dadurch auf seine Sehgewohnheiten zurückgeworfen und nachdrücklich auf sie aufmerksam gemacht. Die Unterscheidung zwischen Kunst und Kitsch werde durch die handwerklich perfekte Ausführung der Werke selbst in Frage gestellt. Dieser Tenor, unter dem die Führung stand, überzeugt aber nicht. Denn wenn der handwerkliche Aufwand und die Perfektion bei der Fertigung so sehr im Vordergrund stehen, erinnert das eher an Fälle, in denen beispielsweise eine besonders aufwendige Armbanduhr, die ebenfalls mit großer handwerklicher Kunst hergestellt wurde, als bloßes Statussymbol angeschafft wird. Das ist aber ein Zeichen von Dekadenz, und darin kommt eher die Verachtung gegenüber dem Handwerk zum Ausdruck als eine Wertschätzung dafür. Was fehlt, ist der Sinn für Angemessenheit. Koons, der Maßlose, also? Vielleicht. Immerhin mutet es merkwürdig an, wegen Koons ins Liebieghaus zu gehen und sich seine Skulpturen inmitten der Sammlung anzuschauen. Zugegeben, die Werke korrespondieren miteinander, aber die Fallhöhe ist doch ziemlich ernüchternd. Besser, man kommt später nochmal wieder, wenn das alles vorbei ist. Der Economist schrieb jedenfalls in der Ausgabe vom 7. Juli 2012 zu dieser makellosen und prallen Hochglanzwelt: „Mr Koons’s icons are spectacular—and unrivalled. His figures have rich associations, immaculate shapes and luxurious materials. They speak to a global elite that believes in the holy trinity of sex, art and money. Art collectors enjoy seeing themselves reflected in what they buy.“ Das Sein bestimmt das Bewußtsein. Und hier hat sich einer seinen Beruf erfunden, um es mit Mercedes Bunz zu sagen, und er lebt davon recht gut, wie man sieht. Ein Erfolgsmodell?

Was bleibt? Vor allem das real life: Viele neue Gesichter, darunter auch einige „richtige Blogger“ und „richtige Bloggerinnen“. Einige nette Gespräche. Und viele neue Blogs und Namen von Twitter-Accounts, die ich vorher gar nicht kannte. Auf alle Fälle bereichernd. Aber: Must see? Ich habe schon Eindrücklicheres gesehen. Ehrlich.

„Jeff Koons. The painter“ und „Jeff Koons. The sculptor“ in der Kunsthalle Schirn und im Liebieghaus in Frankfurt am Main. Bis zum 23. September 2012. – Gleisbauarbeiten war übrigens mit Blick auf Koons anderer Ansicht.

5 Kommentare zu „„Jeff Koons. The painter“ und „Jeff Koons. The sculptor“ in der Frankfurter Kunsthalle Schirn und im Liebieghaus“

  1. Ich musste meine Teilnahme ja leider aus beruflichen Gründen absagen. Bis heute habe ich nachgedacht über Deinen Bericht von der Veranstaltung. Ich habe auch ein paar andere Eindrücke nachgelesen. Manche kamen von offizieller Seite, manche waren einfach subjektive Eindrücke von anderen Teilnehmern. Was bleibt ist ein Eindruck, der sich einerseits aus diesen Berichten und Analysen speist und sich andererseits aus einem Bauchgefühl ergibt, welches ich vom ersten Moment an hatte, als ich von dem Event hörte. Ich habe mich darum bemüht, dass dieses Bauchgefühl nicht einfach ein emotionales Trollen wird. Ich wollte und will begründen, warum mein Eindruck so eindeutig negativ ist, wie er nach wie vor ist.

    Was sagt der Bauch? Und wieso? Mein Bauch hat Bauchschmerzen, wenn er sieht, wie die ganze Veranstaltung angelegt war und auch, wie sie von Seiten der Macher angegangen wurde. Da wird Kunst vermarktet wie ein Produkt. Auf der Sachebene habe ich mich immer wieder bemüht, habe mir gesagt, dass es eine Vermarktung von Kunst schon immer gab. War es früher nicht Twitter, Blogs & Co., so waren es die jeweiligen Mittel der Zeit, die man nutzte. Weiter sagte mir der Ratio-Getriebene Anteil meines Inneren, dass Kunst nicht alleine von Künstlern gemacht wurde, sondern immer auch schon von Zuarbeitern. Sie versammelten sich in »Schulen« und »Werkstätten« und sie wollten lernen von den »alten Meistern«. Ist es also nicht schlimm, wenn ein Künstler heutzutage gar nicht mehr selber an seiner Kunst arbeitet, sondern fertigen lässt, was gerade ansteht? Ich habe Zweifel. Vielleicht entspricht es einfach nicht meinem Verständnis von dem, was Kunst ist. Das mag sein, aber ich kann mich nicht damit anfreunden, dass Kunst vielmehr Kunsthandwerk ist und das sie wohlgefällig einen Kunstmarkt bedient, der immer mehr zu einer Möglichkeit degradiert wird, Geld anzulegen. Ich kann mich ebenso wenig damit anfreunden, dass das Bekanntmachen von Kunst bzw. von Kunstausstellungen Gesetzmäßigkeiten unterworfen werden sollen, die man gemeinhin als »marktgerecht« bezeichnen würde. Für mich muss ein Künstler für etwas brennen und ich kann diesen Antrieb nur schlecht mit Marketing-Maßnahmen in Verbindung bringen. Ich bringe ihn auch nicht zusammen mit einem wohlgeordnetem Produzieren-Lassen. Für mich bricht sich Kunst Bahn, der Künstler selbst arbeitet stetig daran, dass er auf die Leinwand bringt (oder er modelliert), was er ausdrücken will. Kunst ist einzigartig. Sie ist nicht Kunsthandwerk. Und sie ist auch nicht ein »Mittetständiges Unternehmen«.

    Koons und ich. Koons und ich, das geht wohl nicht zusammen. Genauso wenig kann ich gut leben damit, wie die Schirn diese ganze Sache aufgezäumt hat. Aber, ich kann gut verstehen und nachvollziehen, dass ein subventioniertes Projekt wie die Schirn danach schauen muss und will, dass man sich zeitgemäss um Aufmerksamkeit bemüht. Und bevor jetzt die Leute diesen Beitrag lesen und denken, ich wäre gegen Subventionen für Kunst oder andere öffentliche Projekte. Ich bin im Gegenteil dafür, dass Kunst möglichst vielen Menschen zugänglich gemacht wird. Leider muss sich Kultur zunehmend anbiedern. Vielen Menschen ist gar nicht mehr klar, dass Kultur tatsächlich wertvoll ist und das man gut daran täte, in diese Inhalte zu investieren und nicht in hochtrabende Erfolgsmodelle, die man schon in kurzer Zeit wieder vergessen hat. Ich will Kultur, die nicht weichgespült ist und in Häppchen portioniert. Ich will vielmehr Kunst, die sperrig ist und Kraft ausstrahlt.

    1. Wir sind in Frankfurt noch nicht so weit wie bei der Berliner Gemäldegalerie, wo noch viel knallhärter auf den Profit geachtet wird. Und natürlich muß Kunst subventioniert werden, denn wir wollen ja nicht bis zu 30 Euro Eintritt zahlen müssen wie beim Beyeler in Basel…

      Es ist auch richtig: Kunst braucht Öffentlichkeit, aber muß es so eine inszenierte Öffentlichkeit sein? Wo verläuft die Grenze zwischen Event und Bericht? Was ist der Unterschied zwischen einem selbstbestimmten und -organisierten Ausstellungsbesuch, über den ich nachher etwas blogge, und einem solchen Event? Werde dazu noch etwas zur Nachbereitung schreiben, siehe DM.

      Was Koons angeht, so bin ich mir nicht sicher: Einerseits wirft sein Werk tatsächlich sehr grundlegende Fragen zur Kunstrezeption auf, andererseits ist das alles trivial, und so finde ich mich eher auf Adornos Aufsatz zum „Kitsch“ zurückgeworfen (auch wenn er sich mit Musik beschäftigt), die Texte im Katalog oder die Ausführungen der Kuratoren in der Führung und auch die meisten Berichte in der Presse erscheinen mir viel zu wohlwollend geraten.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.