Wie ist es, Teil eines Hypes zu sein?

Über meine nachdenkliche Haltung zur Teilnahme an dem Bloggertreffen der Schirn Kunsthalle hatte ich schon im Vorfeld geschrieben. Nachdem heute auch die PR-Berater mit praktischen Tips zur Durchführung solcher Events und zum Thema „Blogger Relations für Kulturbertriebe“ aufgeschlagen sind,[1][2] hat sich dieser Eindruck für mich im wesentlichen bestätigt.

Wo liegen die Unterschiede zwischen einem selbstbestimmten Ausstellungsbesuch und der Teilnahme an einem organisierten PR-Event? Wie stellt sich die Rolle eines echten Bloggers inmitten von Profis dar, die einladen, begrüßen, bewirten, alles organisieren, Räume und Getränke angenehm kühl temperieren, einen Impuls geben („Mercedes Bunz … is available for speaking engagements, and can be reached at…“), führen, verabschieden und nachbereiten, offline und online? Die Teilnahme an dem Event führt dazu, sich seiner Rolle besser zu versichern. Im Folgenden fünf Thesen dazu.

Ich setze mich nicht gern ins gemachte Nest, sondern baue mir lieber selber eines. Ich bin Wikipedianer, deshalb ist es für mich selbstverständlich, eine umfangreiches Studium anzustellen, bevor ich mich in irgendetwas hineinbegebe. Das heißt, ich durchforste meine private Bibliothek und die einschlägigen Datenbanken und Archive (nota bene: Wikipedia erst ganz zuletzt), bevor ich eine Sammlung oder eine Ausstellung besuche. Das kann auch schon mal ein paar Wochen in Anspruch nehmen. An Führungen nehme ich deshalb nur noch selten teil, Audioguides verschmähe ich, ebenso Kataloge, nicht nur wegen des immer viel zu hohen Preises. Ich möchte zunächst das Umfeld kennenlernen, in das die Schau hineingebaut worden ist, die sich mir darbietet. Auf dieser Grundlage lasse ich die Ausstellungsstücke und die Dramaturgie dann auf mich wirken und bilde mir eine eigene Meinung. Und darüber blogge ich dann bisweilen. Nicht immer. Aus jüngerer Zeit hatte ich beispielsweise nicht über „Making History“ im Frankfurter Museum für moderne Kunst geschrieben – damit war keine Wertung verbunden, es kam schlicht nicht dazu.

Man hört in neuerer Zeit immer wieder, Information sei an Netzwerke gebunden; wer davon ausgeschlossen sei, sei von den wirklich spannenden Informationsströmen abgeklemmt. Und: Die wirklich wertvollen Informationen hätten nun einmal ihren Preis. Beides stimmt aber nicht. Informationen sind vor allem an die informationstechnischen Kompetenzen des einzelnen gebunden, insbesondere an seine Fähigkeit, sich Zugang zu den – für ihn – relevanten Quellen zu verschaffen und die dabei recherchierten Angaben zutreffend zu verstehen. Also vor allem an Bildung.

Ich fühle mich unwohl inmitten eines Hypes oder Schwarms, besonders wenn er inszeniert ist. Wenn zwanzig Blogger und zehn Kulturplattformen ziemlich gleichzeitig über einen Event berichten und zwanzig weitere twittern drumherum und meine kleine schneeschmelze ist dann auch noch dabei, stimmt irgendetwas nicht. Den Kollegen Bembel erinnerte das ganze spontan an das Konzept der embedded journalists, das die amerikanische Armee in ihren jüngeren Kriegen mit Erfolg ausprobiert hatte: Embedded bloggers. Schreiben über die Dinge, die man ihnen gezeigt hat. Erzählen die Dinge, die man ihnen erzählt hat. Schreiben in Schwärmen, machen also viel Geräusch. Verlinken sich untereinander. Das ganze mitten im Sommerloch. Und: Erhalten Einblicke, die sonst nur die Profis haben – die darauf aber auch aufgrund ihrer Ausbildung professionell vorbereitet sind. Dadurch entsteht etwas, was in der Ökonomie ein principal-agent conflict genannt wird: Trotz aller Vorbereitung besteht eine fachliche Diskrepanz zwischen dem Umfeld und dem Blogger. Auch die kritische Grundhaltung kann dem nicht abhelfen.

Selbst organisieren bedeutet unter anderem, daß ich den Ablauf eines Besuchs in einer Ausstellung in gewissen Grenzen selbst bestimme. Das ist beim Event nicht möglich, hier gibt es feste Zeiten, in diesem Fall beispielsweise die Abfahrt von dem einen Ausstellungsort zum nächsten. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es sich gelohnt hätte, sich das eine Bild oder die andere Skulptur etwas länger zu betrachten, aber es ist auf jeden Fall eine Einschränkung, die mit dem Status als embedded blogger notwendigerweise verbunden ist.

Bloggen ist für mich Selbstfindung. Besser: Es begleitet die Selbstfindung. Das geht selbstorganisiert am besten, es geht aber auch im Rahmen eines solchen Events. Anderen mag es anders gehen.

14 Kommentare zu „Wie ist es, Teil eines Hypes zu sein?“

  1. Ich finde es gut, dass die Gründe, ein Blog zu betreiben, so unterschiedlich ausfallen können. Bei mir war es die Freude, interessante Inhalte zu finden, die in den klassischen Medien praktisch nicht vorkamen. Was aus meinem Blog werden sollte, darüber machte ich mir keine Gedanken.

    Für mich ist das Blog mittlerweile ein fester Bestandteil meiner beruflichen Arbeit. Aber ich würde nie auf die Idee kommen, andere schlecht zu machen, weil ihre Motivation, ein Blog zu betreiben, eine andere ist. Ich fühle mich mit diesem Beitrag angegriffen, weil ich kein „echter Blogger“ bin und frage mich, warum es nötig ist, die eigenen Motive, etwas zu tun, über die der anderen zu stellen? Schade…

    1. @Christian: Für mich ist das Blog mittlerweile ein fester Bestandteil meiner beruflichen Arbeit. – Genau darum geht es: Eine Website, wie Du sie betreibst, würde ich niemals als „Blog“ im eigentlichen Sinne bezeichnen. Du benutzt eine Bloggersoftware, aber Du betreibst damit tatsächlich eine Plattform zu Deiner eigenen Vermarktung. Du bietest damit Deine Dienstleistungen an und wirbst für Dich. Das hat mit dem Bloggen, wie es aus der Netzkultur heraus entstanden war, aber überhaupt nichts zu tun, denn das Bloggen ist rein ideell.

      Es ist sehr wichtig, auf diesen Unterschied hinzuweisen und sich klar voneinander abzugrenzen, weil das eine Frage der Glaubwürdigkeit aller freien und ehrenamtlichen Projekte im Netz ist. Wer meine Texte liest, kann sich absolut sicher sein, daß dahinter keinerlei finanzielle Interessen stehen und auch niemals stehen werden. Die schneeschmelze ist meine Stimme im Netz, ich habe keine „Auftraggeber“, sondern vertrete hier ausschließlich meine eigene Meinung. Die freie Meinungsäußerung ist ein Selbstzweck, und sie ist konstitutiv für eine demokratische Gesellschaft.

      Wahrscheinlich hast Du Dir diesen Unterschied zwischen meinem Blog und Deiner Plattform noch nicht hinreichend klar gemacht, sonst könntest Du Dich durch diese Feststellung gar nicht angegriffen fühlen. Ohne diesen Event wären wir uns niemals begegnet, unsere Kreise überschneiden sich an keiner Stelle.

      Es tut mir übrigens leid, daß ich Deinen Kommentar erst mit etwas Verspätung freigeschaltet habe, er war von WordPress in den Spamfilter verschoben worden.

  2. Ja 🙂 Und wie Du schreibst, kann der durch leckere Doppelkeks-Köder ausgelösten Mutation zum Doppelagenten ja durchaus vorgebeugt, zwischengedacht und nachgesorgt werden.

  3. Bloggen als rein ideelle Plattform? Ich sehe das persönlich genauso, würde aber niemandem den Bloggerstatus absprechen, der kommerzielle Interessen verfolgt. Eine Aussage für sich ist allerdings die Wortherkunft: Blog als Tagebuch (im Netz). Geschäftsmaßnahme und Tagebuch zugleich? Klingt unvereinbar, zugegeben.

    Aber wenn es „echte“ oder „richtige“ Blogger gibt, ist dann echtes Bloggen nicht elitär? Das würde ich gerade nicht damit verbinden wollen.

    1. Doch, es ist durchaus elitär. Laut ARD-ZDF-Onlinestudie tragen gerade mal 2 Prozent aller Online-Nutzer in Deutschland überhaupt etwas zu Blogs und Wikis bei. Tendenz: Langfristig fallend. Dieser kommerzielle Bereich, von dem vorstehend die Rede war, wird dabei nicht erfaßt, zu Recht, weil es dabei um Berufsausübung geht. (Nebenbei bemerkt ist schon von daher klar, daß der Anteil an Web-2.0-Autoren auch durch irgendwelche Bildungsprogramme nicht beliebig erhöht werden kann…) – Siehe übrigens auch diesen Beitrag von Herrn Larbig, der sich heute auf dieselbe Diskussion bezieht.

  4. Ich halte es für grundfalsch, alles was die Museen im digitalen Raum versuchen, pauschal als PR abzutun. Das ist doch sehr eindimensional gedacht. Mit der Öffnung für Blogger versuchen die Museen doch auch neue Wege der Vermittlung und Didaktik (und wollen selbst etwas lernen über zeitgemässe Kommunikation). Das hat mit PR oder Marketing erst einmal nichts zu tun. Blogs wie http://www.residenz-muenchen-blog.de/ operieren zudem zwischen Wissenschaft und Populärkultur. Genauso grundfalsch ist es, bloggende Kunsthistoriker (z.B. Dein Link 1) einfach mal zum PR-Berater zu erklären und sofort kommerzielle Ziele zu unterstellen. Sorry, aber der Post geht deutlich in eine falsche Richtung.

    1. @Dieter: Kann mit Deinem Einwand leider wenig anfangen – die Autorin beschreibt ausführlich die Phasen der Öffentlichkeitsarbeit in einem solchen Fall, lehrbuchmäßig und ergänzend zu dem Beitrag im „Kulturmanagement-Blog“. Mit dieser „Verbetriebswirtschaftlichung“ ist notwendigerweise eine erhebliche Verengung des Blickwinkels verbunden.

  5. Was soll ich sagen? Dein Beitrag spricht mir aus dem Herzen. Generell hab ich gar nichts gegen diese andere Art Plattform. Allerdings, und da bin ich ab-so-lut bei Dir, sollten wir diese Dinge trennen. Blogge ich aus innerem Antrieb oder verfolge ich ein Ziel (Vermarktung eines Produktes, einer Idee oder auch nur die Eigenvermarktung)? Ich finde schon, dass kenntlich sein sollte, welche Idee hinter einer Veröffentlichung steckt. Im klassischen Journalismus würde sich niemand darüber aufregen, dass man bitte redaktionellen Text von bewerbendem Texten und Beiträgen trennen sollte. Wieso soll das bei Blogs anders sein?

    Übrigens, es gibt eine feine Definition, die die Arbeit an Inhalten und bewerbenden Texten und Arbeiten trennt. Hanns-Joachim Friedrichs, der hoch angesehene und derweil verstorbene Frontmann der Tagesthemen sagte dereinst: »Einen guten Journalisten erkennt man daran, daß er sich nicht gemein macht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört.«

    Gute Bloginhalte bewahren sich eine Distanz. Die von Dir, lieber Jürgen, beschriebene Arbeit um das Thema herum, die Annäherung, die selbst erarbeitet ist und nicht vorfabriziert, diese Distanz und eigene Herangehensweise ist unerlässlich für hohe Qualität. Der Begriff des „embedded journalism“, der oben genannt wird, macht den Unterschied wunderbar deutlich. Distanzlos und oft unreflektiert weitergereichte Inhalte machen es beinahe unmöglich, sich als Leser eine eigene Meinung zu bilden. Am Ende soll der Leser entscheiden, was er bevorzugt, aber bitte: man soll ihn nicht im Unklaren lassen, welche Antriebe hinter einem Engagement stecken. Ich möchte jedenfalls nicht in einer Welt leben, in der wir nur noch abhängig erzeugte „Wahrheiten“ angeboten bekommen.

    1. @Markus: Das ist eben der Punkt. Und darüberhinaus geht bei den „Kunstblogs“, die hier in Aktion getreten waren, ein ganz wesentlicher Punkt unter, nämlich, daß das Bloggen ein Teil der Netzkultur ist, es hat mit Kommerz nicht das geringste zu tun. Das verstehen auch die PR-Leute nicht, weil sie das gar nicht auf dem Schirm haben. Immerhin, wie ich oben schon schrieb: Man wäre sich ansonsten nie über den Weg gelaufen. So prallen nun zwei Welten aufeinander.

  6. @Jürgen: Du behauptest also, ich würde irgendwelche Auftraggeber haben, die die Auswahl meiner Posts oder die Bewertung bestimmter Inhalte beeinflussen würden? Wie kommst Du darauf? Wie kommst Du dazu, anderen abzusprechen, aus einem inneren Antrieb zu bloggen? Woher willst Du das wissen?

    Und nur weil Du Deine Website als persönliche Homepage bezeichnest und hier schreibst, Du würdest aus ideellen Gründen bloggen, muss das so sein?

    Das ist genau die Haltung, die ich bei denen, die für Wikipedia Deutschland schreiben, immer wieder antreffe. Der angebliche Idealismus rechtfertigt, über andere zu urteilen und das in der Regel negativ. Nur Du bist glaubwürdig, weil Du das ehrenamtlich machst? Nein, bist Du nicht, weil Glaubwürdigkeit mit Inhalten zu tun hat. Oder würdest Du behaupten wollen, dass die Inhalte des eBooks „Globales Lernen“ besser und glaubwürdiger sind als die Inhalte derer, die ihre Inhalte beruflich produzieren?

    Und was den Begriff des „embedded“ Journalisten angeht: Du warst bei dieser Veranstaltung dabei und warst damit einer dieser „Eingebetteten“. Du hast also mitgespielt und versuchst Dich dadurch reinzuwaschen, indem Du behauptest, Du wärst nicht beeinflussbar. Warum soll ich Dir das glauben, wo Du doch anderen auch per definitionem das Recht auf Glaubwürdigkeit absprichst? Bist Du ein besserer Mensch als alle anderen?

    PS: danke fürs Rausholen aus dem Spamfilter. Komisch, da traut WordPress seinen eigenen UserInnen nicht, denn ich habe mit meinem wp.com-Account kommentiert.

    1. @Christian: Nur noch soviel: Wer sich getroffen fühlt, ist getroffen. Danke sehr für die deutlichen Worte. Abgesehen von den inhaltlichen Fehlern, die ich mal so stehenlasse: Ich hatte Deine Haltung richtig eingeschätzt. – Einen schönen Tag noch.

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